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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Hügelkuppe wogte und dann zurück nach Osten wehte, Faun und Tiessa und dem Ufer entgegen. Im ersten Moment sah es aus, als hätten die Johanniter die Richtung gewechselt und kehrten um. Aber es war nur der Wind, der den Staub bergab trug.
    Faun und Tiessa zügelten ihre Pferde auf halber Höhe des Hügels und schauten zurück zur Brücke. Von hier aus hatten sie einen leidlich guten Ausblick über den Basaltfluss, Grau in Grau unter dem Sternenhimmel, darauf ganz vage verdichtet die Umrisse des schaukelnden Überwegs und des Seldschukenzugs. Anfeuernde Rufe erklangen vom Ufer, wo sich die Johanniter gegenseitig Mut machten und noch heftiger auf die Haltetaue einhackten. Zugleich erklangen Schmerzensschreie – die Verfolger am anderen Ufer schössen jetzt blindwütig Pfeile zur gegenüberliegenden Seite, über die Köpfe der eigenen Leute hinweg und auf jene, die sich an den Halterungen der Brücke zu schaffen machten. Faun meinte gebrüllte Befehle zu hören, vielleicht Nizamalmulk persönlich, der seine Männer zurückbeorderte oder zu noch größerer Eile anstachelte.
    Erst ein Teil der Seldschukenstreitmacht befand sich auf der Brücke – zwanzig, dreißig Männer und Pferde –, als die Seile endlich nachgaben. Wildes Geschrei brandete auf, und Tiessa wandte den Blick ab, als das straff gespannte Brückenband schlagartig zusammensackte. Staub wallte zu beiden Seiten empor, wölbte sich einen Moment lang wie ein Tunnel über den kreischenden Menschen und Tieren, sackte auf sie herab und schuf zugleich eine noch größere Wolke. Innerhalb eines Herzschlags verdeckte schwarzer Basaltnebel das Ausmaß der Katastrophe.
    Die Seldschuken am anderen Ufer brüllten durcheinander, als sie ihre Gefährten im Chaos des Staubs verschwinden sahen. Zugleich sprengten Johanniter aus der Wolke und galoppierten den Hang herauf, um aus der Reichweite der feindlichen Pfeile zu gelangen.
    Faun und Tiessa wollten schon die Pferde herumreißen und mit den anderen hangaufwärts preschen, als sie bemerkten, dass mehrere Pferde fehlten.
    »Wo ist Zinder?«, brüllte Faun ihnen entgegen. »Und Karmesin?«
    »Sie haben es nicht geschafft!«, entgegnete einer der Johanniter. »Die Pfeile der Seldschuken …!«
    Faun stieß einen verzweifelten Schrei aus. Er lenkte sein Pferd zurück in die Richtung des Basaltstroms, ungeachtet der Männer, die ihm Warnungen zuriefen, ungeachtet auch des Pfeils, der noch immer in seinem Bein steckte und einen Schmerz ausstrahlte, der allmählich fast etwas Vertrautes war, eine Erinnerung an das, wovor Zinder ihn mehr als einmal bewahrt hatte.
    Dann galoppierte er den Hang hinab, wartete nicht ab, was die anderen taten, fegte einfach nur dem wogenden Staub entgegen, der jetzt über das Ufer kroch und die Balkenaufhängungen vernebelte, an denen die Brücke befestigt gewesen war.
    Bald sah er nichts mehr, konnte kaum atmen und war drauf und dran, seine Suche nach den beiden zu Fuß fortzusetzen. Im letzten Moment erinnerte er sich, dass er mit dem Pfeil im Schenkel nicht weit kommen würde, egal wie sehr er sich auch bemühte. Er ließ das Pferd langsamer werden, und dann glaubte er auch schon die Umrisse gestürzter Gestalten inmitten des Staubes zu sehen.
    »Zinder!« brüllte er in die wirbelnde Finsternis. »Karmesin!«
    Keine Antwort.
    »Wo seid ihr?«
    Es regnete jetzt keine Pfeile mehr. Die Seldschuken gingen wohl davon aus, dass ihre Gegner längst den Hang hinauf entkommen waren.
    Plötzlich entdeckte er Karmesin. Sie bewegte sich und stöhnte, halb erstickt im wogenden Staub. Ein Pfeilschaft ragte aus ihrer Schulter, ein anderer aus ihrem Bein. Zinder lag neben ihr, leblos, nur von einem einzigen Pfeil getroffen. Er steckte in seiner Brust, oberhalb des Herzens.
    Faun brachte das Pferd neben die beiden, und nun rutschte er doch aus dem Sattel, hielt sich mit beiden Armen fest, damit der Aufprall auf dem verletzten Bein ihn nicht zu Boden warf. Zugleich erschien Tiessa hinter ihm, erkannte, was vorging, und war in Windeseile an seiner Seite. Faun humpelte zu Zinder hinüber und brach neben ihm in die Knie, nicht sicher, ob er jemals wieder hochkommen würde, wenn er erst einmal am Boden lag. Tiessa versuchte ihn aufzufangen, aber er glitt durch ihre Arme und beugte sich über den reglosen Söldner.
    »Zinder, verdammt noch mal …«
    »Ist er tot?«, keuchte Karmesin.
    Tiessa schüttelte ihre Betroffenheit ab und lief um die beiden Männer herum zu ihr. Irgendwie gelang es ihr, die Konkubine zu

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