Herrin der Lüge
anderen vorgaukeln könnte, es wäre zu ihrem Besten, sich Eurem Kreuzzug anzuschließen und mit Euch ins Heilige Land zu ziehen … Warum das alles? Wie soll Euch das Euren Mann zurückbringen?« Sie musste sich zwingen, Violantes Rede nicht einfach als Irrsinn abzutun. In ihrer Lage blieb ihr keine andere Wahl, als die Pläne der Gräfin ernst zu nehmen.
»Ich will dir die Wahrheit verraten, Saga. Ich kann Gahmuret weder mit einer Hand voll Söldner, noch mit tausend gläubigen Frauen befreien – nicht aus den Händen der Sarazenen! Was ich tatsächlich brauche, ist die Unterstützung der christlichen Ritterorden im Heiligen Land. Templer, Johanniter, Deutscher Orden … einer von ihnen oder am besten alle drei. Wenn es mir gelingt, sie auf meine Seite zu ziehen, dann ist alles möglich. Vorausgesetzt, ich kann zuvor den Papst von der Lauterkeit unserer Sache überzeugen.«
»Den Papst!«, entfuhr es Saga.
Violante beugte sich vor, ihre Augen glühten. »Wenn ich einen Kreuzzug der Jungfrauen auf die Beine stelle, gewaltig genug, dass jedermann davon erfährt, dann wird auch der Heilige Vater mir zuhören. Dann kann er mir seine Unterstützung gar nicht versagen. Deshalb dürfen es keine fünfzig Frauen sein, auch keine fünfhundert. Tausende, Saga! Wenn ich Tausende Frauen in Venedig einschiffe und über das Meer nach Osten führe, bleibt dem Heiligen Vater gar keine andere Wahl, als mir seinen Schutz zuzusagen. Die Templer, Johanniter und Deutschordensritter sind seine ausführende Hand, sie sind sein Schwert im Heiligen Land. Wenn der Papst mich unterstützt, dann werden auch sie mich unterstützen. Die drei Orden hassen einander, aber wenn eine einzige Sache, ein großes Ziel sie eint, dann kann niemand ihnen standhalten. Die Mauern der Sarazenen werden stürzen, ihr Reich zu Asche verbrennen.«
Es lag etwas Aberwitziges in der Tatsache, dass sie diese Pläne in einem vergitterten Reisewagen, irgendwo in einem deutschen Wald deklamierte, so überzeugt, als stünde sie am Fuße des Heiligen Stuhls.
»Und das alles, um einen einzigen Mann aus der Gefangenschaft zu befreien?«, fragte Saga mit belegter Stimme.
»Er ist nicht irgendjemand.«
Jetzt wich Saga dem Blick der Gräfin nicht mehr aus. Sie versuchte, in Violantes Augen zu lesen. »Ein Kreuzzug aus Liebel«, flüsterte sie, und als sie es aussprach, wurde ihr endlich das tatsächliche Ausmaß dieses Wahnsinns bewusst. »Ihr wollt riskieren, dass alle diese Mädchen in den Tod gehen, nur damit Ihr den Mann, den Ihr liebt, zurückbekommt?«
Violante rückte zur Tür und ließ sie nach außen aufschwingen. »Und was ist mir dir, Saga? Wie weit wirst du für die Liebe zu deinem Bruder gehen? Wirst du das Leben Tausender aufs Spiel setzen, um ihn zu retten?«
Eine Weile verging. Schweigend sahen sie einander an.
Violante kletterte ins Freie und schob den Riegel vor.
Fauns Hinrichtung
Zwei Tage, nachdem Saga vor der Tür des Kerkers mit ihren 1 Bewachern gekämpft hatte, kamen die beiden Soldaten zu Faun in die Zelle. Sie kamen am frühen Morgen, der junge und der ältere Mann, und während der eine Faun in Schach hielt, führte ihm der andere seine Prellungen und Wunden vor. Danach war sein Gefährte an der Reihe. Faun saß da, mit einer Schwertspitze an der Kehle, und musste zusehen, wie sie ihm jede einzelne Schürfwunde, jede Blutkruste und blaugrün verfärbte Stelle zeigten.
Dabei versprachen sie, dass er bald wissen würde, wie sich solche Verletzungen anfühlten. Sie würden besonderes Augenmerk darauf legen, dass er sich in sie beide hineinversetzen könnte, nicht nur in einen von ihnen. Das seien sie ihm und seiner Schwester schuldig, nicht wahr?
Als sie ihre Drohung wahr machten, hatte er das Gefühl, die Schläge und Tritte nähmen kein Ende.
Nachdem es vorbei war, lag er in seinem eigenen Blut und Erbrochenen, schmutzig und zerschunden. Die Soldaten hatten kein Wort gesprochen, während sie ihn schlugen und traten, so als sei vorab alles Wichtige gesagt worden.
Als sie die Kerkertür hinter sich schlossen, wurde es in rascher Folge Nacht, dann Tag, dann wieder Nacht. Faun bewegte sich nicht während dieser Zeit. Manchmal stöhnte er leise. Meistens wünschte er sich, er wäre tot.
Später war er nicht mehr sicher, wann er sich schließlich aufgerappelt und zur Tür geschleppt hatte. Dort hatten sich mehrere Holzschüsseln mit Essen angesammelt, mittlerweile von den Ratten angenagt, die ihm im Kerker Gesellschaft leisteten. Faun
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