Herrin Der Stürme - 2
abzugeben. Ich glaube, seine Familie hat eine ausreichende Lektion über den Stolz erhalten, der einen Mann dazu treibt, eine Krone für die eigenen Söhne anzustreben.« Verschwommen und voller Schatten konnte er in der Zukunft das Gesicht eines Jungen sehen, der ihm auf dem Thron nachfolgen würde. Es war ein Kind von Hastur-Blut, aber er wußte nicht, ob es sein eigener oder ein Sohn seines Bruders war. Es interessierte ihn auch nicht.
Allart war erschöpft und über den Tod seines Bruders bekümmerter, als er sich selbst eingestehen wollte. Er dachte: Auch wenn ich mich dazu entschlossen hatte, ihn zu töten, wenn es nicht anders ging; auch wenn ich es war, der ihm den Spiegel seines Herzens zeigte und ihn dadurch zwang, das Messer gegen sich selbst zu richten, bin ich traurig. Er wußte, er würde wegen dieser Entscheidung, die die erste bewußte Handlung seiner Herrschaft war, nie völlig frei von Kummer und Schuldgefühlen sein. Und er wußte, daß er nie zu trauern aufhören würde – nicht über den machthungrigen potentiellen Tyrannen, den er zum Selbstmord getrieben hatte, sondern über den älteren Bruder, den er geliebt und mit dem er am Grabe seines Vaters geweint hatte. Aber dieser Damon-Rafael war vor langer, langer Zeit gestorben – falls es ihn überhaupt außerhalb Allarts Vorstellungskraft je gegeben hatte!
Ein schwaches Donnern rollte über ihnen dahin, und Cassandra schreckte hoch. Als ihr Blick auf den herabströmenden Regen fiel, der wie ein dunkler Streifen über dem Tal lag, sagte sie: »Ich glaube, es ist nur ein Sommersturm. Aber ich kann jetzt keinen Blitzschlag hören …« Sie hielt inne. »Allart! Glaubst du, Renata hatte Recht? Hättest du Dom Mikhail überzeugen sollen, zuzulassen, daß Renata Dorilys’ Laran zerstörte, solange sie schlief?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Allart besorgt. »Nach allem, was geschehen ist, will ich meiner eigenen Vorausschau nicht unbedingt trauen. Aber auch ich habe meine Gabe als Fluch empfunden, als ich ein Junge auf der Schwelle zum Mannesalter war. Hätte mir damals jemand eine solche Befreiung angeboten, ich glaube, ich hätte sie freudig angenommen. Und doch … und doch …« Er streckte seine Arme nach ihr aus und zog sie an sich. Ihm fielen die qualvollen Tage ein, in denen er sich wie gelähmt unter der Kraft des Laran geduckt hatte. Je älter er wurde, desto mehr stabilisierte es sich. Er wußte, daß er ohne die Kraft nur halb so lebendig gewesen wäre. »Wenn Dorilys zur Reife gelangt, findet vielleicht auch sie Stabilität und Kraft; vielleicht wird sie für diese Prüfungen gestärkt.«
Wie ich es war, und du, meine Liebste.
»Ich sollte zu ihr gehen«, meinte Cassandra beunruhigt. Allart lachte.. »Ah, das sieht dir ähnlich, Liebes – du, die zukünftige Königin, rennt an das Bett eines kranken Mädchens, das noch nicht einmal deine Untertanin ist.«
Cassandra hob stolz den Kopf.
»Ich war Überwacherin und Heilerin, ehe ich auch nur daran gedacht habe, Königin zu werden. Und ich hoffe, ich werde meine Fertigkeiten nie jemandem verweigern, der ihrer bedarf.«
Allart hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie.
»Die Götter mögen geben, Liebste, daß aus mir ein König wird, der dir in nichts nachsteht.«
In der Burg hörte Renata den Donner und dachte, während sie sich für die Siegesfeier vorbereitete, an Dorilys.
»Wenn du überhaupt irgendeinen Einfluß auf sie hast, Donal«, sagte sie, »solltest du versuchen, sie davon zu überzeugen, daß ich nur ihr Bestes will. Dann kann ich vielleicht weiter daran arbeiten, ihre Selbstkontrolle aufzubauen. Es würde leichter sein, auf das zurückzugreifen, was sie und ich gemacht haben, anstatt daß sie mit einer Fremden von vorne anfängt.«
»Ich werde es tun«, sagte Donal. »Ich ängstige mich nicht um sie. Sie hat sich noch nie gegen mich oder ihren Vater gewandt. Wenn sie sich in bezug auf uns genügend beherrschen kann, sollte sie auch lernen können, sich anderen gegenüber normal zu verhalten. Jetzt ist sie erschöpft und geängstigt und von der Schwellenkrankheit geplagt. Aber wenn sie wieder gesund ist, wird sie die Kontrolle wiedergewinnen. Dessen bin ich sicher.«
»Gott gebe, daß du recht hast«, sagte sie und versuchte, ihre Angst durch ein Lächeln zu verbergen.
Abrupt sagte Donal: »Bei der Siegesfeier will ich meinem Vater und Dorilys sagen, wie es mit uns steht, Liebste.«
Renata schüttelte heftig den Kopf. »Ich glaube nicht, daß Dorilys das schon ertragen
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