Herrin Der Stürme - 2
Koseworte.
»Preciosa … Bredhiva … Mein Schatz, mein Geliebtes, warum… Wie … Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Warum wolltest du mich verlassen?«
»Dich verlassen?«, flüsterte sie. »Nein. Aber es war so friedlich im See, und ich wollte nicht mehr, als für immer in der Stille zu bleiben, keine Furcht mehr zu haben und nicht mehr zu weinen. Ich glaubte, dich nach mir rufen zu hören, aber ich war so müde … Ich habe mich nur hingelegt, um ein wenig auszuruhen. Ich war schläfrig und konnte nicht mehr aufstehen. Ich konnte plötzlich nicht mehr atmen und hatte Angst… Und dann bist du gekommen … Aber ich weiß, daß du mich nicht liebst.«
»Ich soll dich nicht lieben? Nicht wollen? Cassandra …« Allart merkte, daß er nicht sprechen konnte. Er zog sie fest an sich und küßte ihre kalten Lippen.
Später nahm er sie wieder auf die Arme und trug sie in den Turm. Die Mitglieder der Matrixkreise, die dort versammelt waren, starrten ihn erschreckt und überrascht an, aber in Allarts Blick war etwas, das sie davon abhielt, zu reden oder sich dem Paar zu nähern. Er fühlte, daß Renata ihn beobachtete und die Neugier und das Entsetzen aller. Ohne darüber nachzudenken, sah er sich, wie sie in ihren Augen erscheinen mußten: durchnäßt und mit verschmutzten Kleidern, ohne Stiefel, Cassandras aufgeweichte Kleider, die den um sie gewickelten Umhang durchnäßten, ihr langes schwarzes Haar, aus dem Feuchtigkeit strömte. Der ernste Ausdruck seines Gesichts ließ sie, als er durch die Halle und die lange Treppe hinauf schritt, zur Seite treten. Allart brachte sie zu seinem eigenen Zimmer, zog die Tür hinter sich zu und verschloß sie. Er kniete neben Cassandra hin, zog ihr mit zitternden Händen die durchnäßte Kleidung aus und wickelte sie warm ein. Sie war still wie der Tod, lag bleich und bewegungslos auf dem Kissen, ihr feuchtes Haar hing leblos herab.
»Nein«, flüsterte sie, »du willst den Turm verlassen und hast mir nicht einmal davon erzählt. Ich wäre besser gestorben, als allein mit all den andern hierzubleiben, die mich verspotten, weil sie wissen, daß ich verheiratet, aber keine Ehefrau bin und du mich weder liebst noch begehrst.«
»Ich soll dich nicht lieben?« flüsterte Allart. »Ich liebe dich, wie mein gesegneter Ahnherr vor Jahrhunderten Robardins Tochter an den Ufern von Hali liebte. Und ich soll dich nicht begehren, Cassandra?« Er drückte sie an sich, bedeckte sie mit Küssen, und spürte, wie er Leben in sie hauchte, wie der Atem seiner Lungen ihr in den Tiefen des Sees Leben gegeben hatte. Er war fast jenseits aller Vernunft, jenseits der Erinnerung an das Gelöbnis, das sie einander gemacht hatten, aber ein letzter verzweifelter Gedanke durchzuckte seinen Verstand, bevor er die Dekken beiseite zog.
Ich darf sie nie fortlassen, nicht jetzt. Gnädiger Avarra, habe Erbarmen mit uns!
13
Allart saß neben Cassandra und betrachtete ihr Gesicht. Nach dem Erlebnis im See ging es ihr körperlich nicht allzu schlecht. Selbst jetzt war er nicht sicher, ob es sich um einen echten Selbstmordversuch oder einen aus Verzweiflung, gepaart mit Krankheit und Erschöpfung geborenen Impuls gehandelt hatte. In den letzten Tagen war er kaum noch von ihrer Seite gewichen. Wie nahe war er doch daran gewesen, sie zu verlieren!
Die anderen hatten sie meist allein gelassen. Da sie um den Zustand ihrer Beziehung gewußt hatten, spürte er nun eine eingetretene Veränderung, aber das schien keine Rolle mehr zu spielen.
Es mußte eine Entscheidung gefällt werden, sobald Cassandra in der Lage war, aufzustehen. Sollte er mit ihr den Turm verlassen, und sie an einen sicheren Ort bringen? (Wenn man hier Waffen herstellte, konnte der Turm angegriffen werden.) Oder sollte er alleine fortgehen und Cassandra zur Laran Ausbildung hierlassen, die sie brauchte?
Sein eigenes Laran hatte ihm immer wieder Visionen gezeigt, in denen er – mit Renata an der Seite – in den Norden ritt. Daß Cassandra in diesen Visionen fehlte, jagte ihm Angst ein. Was würde aus ihr werden? Er sah fremde Flaggen über sich, Krieg, das Klirren von Schwertern, das Krachen fremdartiger Waffen, Feuer und Tod. Vielleicht würde es das Beste für uns beide sein …
Es war unmöglich, die disziplinierte Ruhe aufrechtzuerhalten, die er in Nevarsin gelernt hatte. Cassandra war in seinem Verstand ewig anwesend, seine Gedanken und Gefühle waren für sie ebenso hyperempfindlich wie sein Körper.
Das Gelöbnis, das sie einander
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