Herrin der Stürme
darüber klar wurde, was er tat, hatte er sie in seine Arme gezogen und preßte sie atemlos an sich.
»Renata, Renata … «
Mit einem bekümmerten Lächeln erwiderte sie seinen Blick. Sie befanden sich in so engem Kontakt, daß es unmöglich war, seine plötzliche Bewußtheit und sein Begehren zu verbergen, und ebensowenig ihre unmittelbare und rückhaltlose Erwiderung.
»Cousin«, sagte sie sanft, »was willst du eigentlich? Wenn ich dich ohne Absicht erregt habe, tut es mir leid. Wissentlich, nur um meine Macht über dich zu beweisen, hätte ich das nicht getan. Oder ist es nur, daß du sehr einsam bist und dich nach irgend jemand sehnst, der dir Trost und Zuneigung geben kann?«
Verwirrt, aber betroffen von ihrer Ruhe und dem völligen Mangel an Scham oder Verwirrung, löste er sich von ihr. Er wünschte sich, ebenso ruhig zu sein wie sie.
»Es tut mir leid, Renata, verzeih mir.«
»Verzeihen?« fragte sie, wobei ein Lächeln tief in ihren Augen glühte. »Ist es eine Beleidigung, mich begehrenswert zu finden? Wenn das so ist, hoffe ich, noch viele Male auf diese Weise beleidigt zu werden.« Ihre kleine Hand schloß sich um die seine. »Es ist keine so schwerwiegende Sache, Cousin. Ich wollte nur wissen, wie ernsthaft deine Absichten sind, das ist alles.«
Allart murmelte kläglich: »Ich weiß es nicht.« Verwirrung, Treue zu Cassandra, die Erinnerung an Scham und Abscheu, weil er unfähig war, der Verlockung der Riyachiya zu widerstehen, die sein Vater in seine Arme gestoßen hatte, überwältigten ihn. Hatte das ihn dazu gebracht, Renata zu umarmen? Die Erkenntnis, daß sie seine Aufwallung von Bedürfnissen und Gefühlen teilte, brachte ihn erneut völlig durcheinander.
Eine Frau, die er ohne Furcht lieben konnte, die nicht völlig von ihm abhängig war … Dann tauchte ein beschämender Gedanke auf: Oder tue ich es, weil Cassandra mir nicht mehr völlig gehört?
Ihn anlachend sagte sie: »Warum lehnst du für dich selbst eine Freiheit ab, die du ihr gegeben hast?«
Allart stotterte: »Ich will dich nicht… für meine Bedürfnisse benutzen, als wärst du eine Riyachiya.«
»Oh nein, Allart«, sagte sie mit leiser Stimme und klammerte sich an ihn. »Auch ich bin einsam und brauche Trost. Nur habe ich gelernt, daß es nicht beschämend ist, das auszusprechen und anzuerkennen. Du hast das nicht gelernt, das ist alles …«
Was Allart in ihrem Gesicht sah, schockierte ihn. Er drückte sie fest an sich und wurde sich plötzlich bewußt, daß sie bei all ihrer Stärke und ihrer unverwundbaren Geschicklichkeit und Klugheit ein ängstliches Mädchen war, das wie er selbst vor Problemen stand, die ihre Fähigkeit, sie zu lösen, weit überschritten.
Was haben die Männer und Frauen der Reiche einander angetan, daß zwischen uns alles in Angst und Schuldgefühle für das, was war oder sein kann, gehüllt werden muß? Es ist so selten, daß zwischen uns einfache Zärtlichkeit oder Freundschaft bestehen kann. Renata fest in den Armen haltend und den Kopf zu einem sanften Kuß senkend, sagte er: »Dann wollen wir einander Trost geben, Cousine«, und führte sie in das innere Zimmer.
19
Dorilys, völlig erregt, plapperte wie ein fünfjähriges Kind. Sie wurde ein wenig verlegen, als Margali sie in die Kleidung steckte, die sie von einem der Pagen geliehen hatte. Auch Margali war skeptisch.
»War das nötig, Renata? Sie ist doch jetzt schon ein richtiger Lausbub, auch ohne in Jungenkleidung herumzutollen!«
Sie blickte Renata, die sich vom fünfzehnjährigen Sohn des Haushofmeisters ein Paar Breeches ausgeliehen hatte, mit einem mißbilligendem Stirnrunzeln an.
Renata erwiderte: »Sie muß lernen, mit ihrem Laran umzugehen, und für diesen Zweck muß sie den Elementen dort begegnen, wo sie sind, und nicht, wo wir sie gern hätten. Sie hat sehr hart gearbeitet, um die Matrix zu meistern. Deshalb habe ich ihr versprochen, daß sie mit Donal fliegen darf.«
»Aber ist es wirklich nützlich, diese unpassenden Reithosen zu tragen? Das scheint mir nicht schicklich.«
Renata lachte: »Zum Fliegen? Wie schicklich würde es deiner Meinung nach sein, wenn sich ihr Umhang wie ein großes Segel im Wind blähen und über ihren Kopf fliegen würde? Diese unpassenden Breeches scheinen mir die schicklichste Bekleidung zu sein, die es beim Fliegen überhaupt gibt.«
»Daran habe ich nicht gedacht«, gestand die alte Leronis lachend. »Ich habe mich als junges Mädchen auch danach gesehnt, fliegen zu dürfen. Ich wünschte, ich könnte
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