Herrin der Stürme
lachte: »Ich habe das nur für eine lustige Erzählung gehalten.«
»Nein«, widersprach Allart, »es ist tatsächlich geschehen. Die Frauen lebten zwanzig Jahre zusammen, bis das ungeborene Kind zum Mann herangewachsen war und seine Rechte in Anspruch nehmen konnte. Vielleicht war es verrückt, aber die Gesetze konnten es nicht verbieten. Solch eine Ehe hat zumindest einen gesetzlichen Status – Halbbruder und Halbschwester können heiraten, wenn sie wollen. Renata hat mir gesagt, für Dorilys sei es das Beste, keine Kinder zu gebären. Donal könnte einen Nedestro-Erben zeugen, der seine Nachfolge übernimmt.«
Er dachte an Renata, aber Mikhail von Aldaran hob den Kopf mit einer schnellen, entschiedenen Bewegung. »Zum Teufel mit der gesetzlichen Fiktion«, sagte er. »Dann ist das unsere Antwort, Donal. Allart irrt sich in bezug auf Renatas Aussage. Ich erinnere mich gut daran! Sie sagte, Dorilys solle keine Tochter gebären, und es sei gefahrloser für sie, einen Sohn zur Welt zu bringen. Und in ihren Adern fließt Aldaran-Blut. Das heißt, Donals Sohn wäre ein Aldaran-Nachfahr und dadurch befähigt, nach ihnen zu erben. Jeder Tierzüchter weiß, daß die beste Methode, eine bestimmte Eigenschaft der Linie zu fixieren, die Rückzüchtung mit dem gleichen genetischen Material ist. Dorilys wird ihrem Halbbruder den Sohn gebären, den Aliciane mir hätte geben sollen – Renata wird wissen, wie man in dieser Sache sicher geht –, und die Begabungen der Kontrolle von Feuer und Blitz werden doppelt so stark sein. Wir müssen darauf achten, daß einige Generationen lang keine Töchter geboren werden. Das ist nicht schlimm. Dadurch wird die Linie aufblühen.« Donal starrte seinen Pflegevater bestürzt an: »Das könnt Ihr unmöglich ernst meinen, Sir!«
»Wieso nicht?«
»Aber Dorilys ist meine Schwester – und nur ein kleines Mädchen.« »Halbschwester«, korrigierte Aldaran, »und so klein ist sie nun auch wieder nicht. Margali ist sicher, daß sie irgendwann in diesem Winter zur Frau wird. Es dauert also gar nicht mehr so lange, bis wir verbreiten lassen können, daß ein wahrer Aldaran-Nachfahre mein Erbe wird.« Benommen starrte Donal Aldaran an. Allart spürte, daß er an Renata dachte, aber der Lord war mit seinen eigenen Absichten zu sehr beschäftigt, um auch nur eine Spur von Laran dafür zu erübrigen, die Gedanken seines Pflegesohns zu lesen.
Aber als Donal den Mund zum Sprechen öffnete, sah Allart deutlich, wie sich das Gesicht des alten Manns verdunkelte, verzerrte und sein Gehirn dröhnte, vom Schlag getroffen. Allart umklammerte das Handgelenk Donals und zwang ihm das Bild von Aldarans Anfall auf. Seine Gedanken waren scharf wie die Befehlsstimme. Im Namen aller Götter, Donal, streite jetzt nicht mit ihm! Es wäre sein Tod! Donal fiel in seinen Sessel zurück, die Worte blieben unausgesprochen. Das Bild des vom Schlag getroffenen Lords verschwand in die Rumpelkammer jener Dinge, die sich nicht mehr ereignen würden. Allart sah, wie das Bild sich verflüchtigte und völlig verschwand. Er war erleichtert und doch beunruhigt.
Ich bin kein Überwacher, aber wenn er dem Tod so nahe ist, müssen wir es Renata sagen. Sie sollte ihn untersuchen …
»Na, komm«, sagte Aldaran sanft. »Deine Skrupel sind närrisch, mein Sohn. Du hast seit vielen Jahren gewußt, daß Dorilys heiraten muß, sobald sie erwachsen ist. Und wenn das geschehen muß, ehe sie ganz gereift ist, wird es dann nicht leichter für sie sein, jemanden zu nehmen, den sie gut kennt und gerne mag? Würdest du nicht sanfter mit ihr umgehen als irgendein Fremder? Dies ist der einzige Weg, den ich sehe: So wie die Dinge stehen, solltest du Dorilys heiraten und einen Sohn mit ihr zeugen.« Bei den letzten Worten ließ er ein leichtes Stirnrunzeln erkennen.
Aufgeschreckt und schockiert machte Allart sich bewußt, daß es für Dorilys wahrscheinlich einen Vorteil darstellte, daß Lord Aldaran sehr alt und der Meinung war, über das Alter hinaus zu sein, um selbst einen Erben zu zeugen.
»Und was dies hier angeht«, sagte Aldaran, während er Scathfells Brief erneut zerknüllte und zu Boden warf, »werde ich das Papier wohl benutzen, um mir den Hintern damit abzuwischen, und meinem Bruder zurückschicken. Das demonstriert ihm, was ich von seinem Ultimatum halte! Zugleich werde ich ihn einladen, Zeuge eurer Trauung zu sein.«
»Nein«, flüsterte Donal, »Vater, ich bitte dich …«
»Kein Wort mehr, mein Sohn. Ich habe mich entschieden.«
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