Herrin der Stürme
hohen Stuhl nach vom beugte und Allart in die Augen blickte. »Es ist lange her, seit ich die Freude hatte, mich mit jemandem aus unserer Tiefland-Verwandtschaft zu unterhalten. Ich bin sicher, es wird dir hier gefallen. Aber ich rede mir nicht ein, daß der Erbe von Elhalyn eine Aufgabe auf sich nahm, die jeder Friedensmann oder Bannerträger hätte erledigen können, nur um mir eine Ehre zu erweisen, wenn die Elhalyns sich im Krieg befinden. Entweder willst du oder das Elhalyn-Reich etwas von mir, was keineswegs dasselbe sein muß. Willst du mir nicht den Grund deiner wahren Mission nennen, Verwandter?«
Allart wägte ein Dutzend Antworten ab und beobachtete dabei das Spiel des Feuers auf dem Gesicht des alten Mannes. Er wußte, daß es seine Gabe war, die das Gesicht hundert verschiedene Züge tragen ließ: Güte, wilde Wut, verletzten Stolz, Ärger. Hatte seine Mission allein das Ziel, diese Reaktionen in Lord Aldaran hervorzurufen, oder sah er jetzt etwas, das sich später zwischen ihnen ereignen würde?
Schließlich sagte er, jedes Wort abwägend: »Mein Fürst, was Ihr sagt, trifft zu, obwohl es eine Ehre war, mit Eurem Pflegesohn nach Norden zu reiten. Allerdings habe ich es nicht bedauert, in einiger Entfernung von diesem Krieg zu sein.«
Aldaran runzelte die Brauen und sagte: »Ich hätte vermutet, daß du in Kriegszeiten nicht den Wunsch hast, euer Reich zu verlassen. Bist du nicht der Erbe deines Bruders?«
»Sein Regent und Bewacher, Sir, aber ich bin durch Eid gebunden, den Anspruch seiner Nedestro-Söhne zu unterstützen.«
»Mir scheint, du hättest für dich besseres als das tun können«, sagte Dom Mikhail. »Sollte dein Bruder im Feld sterben, solltest du besser geeignet sein, das Reich zu regieren, als irgendein Haufen kleiner Jungen, seien sie nun legitime Söhne oder Bastarde, und ohne Zweifel würde es dein Volk lieber haben. Es gibt ein wahres Sprichwort: Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch! So geht es auch mit einem Reich: In Zeiten wie diesen ist eine starke Hand vonnöten. In Kriegszeiten kann ein jüngerer Sohn – oder einer, dessen Elternschaft ungewiß ist – sich eine Machtstellung erarbeiten, wie zu keiner anderen.«
Allart dachte: Aber ich habe nicht den Ehrgeiz, ein Land zu beherrschen. Allerdings wußte er, daß Lord Aldaran das nie glauben würde. Für Männer seines Schlages war Ehrgeiz für einen Mann, der einem Herrscherhaus angehörte, die einzige legitime Empfindung. Und das ist es, was unsere Welt im Bruderkrieg erzittern läßt … Aber er sagte nichts. Hätte er es getan, hätte Aldaran sofort den Schluß gezogen, er sei weibisch – oder noch schlimmer, ein Feigling. »Mein Bruder und Großfürst meinte, ich könnte meinem Reich mit dieser Mission besser dienen, Sir.«
»Wirklich? Sie muß wichtiger sein, als ich gedacht habe«, sagte Aldaran mit ernstem Blick. »Nun, berichte mir, Verwandter, wenn deine Mission von so großer Bedeutung für Aldaran ist, daß dein Bruder seinen engsten Rivalen schickt!« Er wirkte verärgert und wachsam, und Allart wußte, daß er keinen guten Eindruck gemacht hatte. Als er jedoch zur Sache kam, entspannte Aldaran sich langsam und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Als Allart endete, nickte er und stieß mit einem langen Seufzer die Luft aus.
»Es ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte«, sagte er. »Ich habe ein bißchen Vorausschau und konnte deine Gedanken ein wenig lesen. Nicht viel; wo hast du gelernt, sie so abzuschirmen? Ich wußte, daß du gekommen bist, um mit mir über den Krieg zu sprechen und hatte schon gefürchtet, ihr wolltet mich wegen der alten Freundschaft, die zwischen deinem Vater und mir bestand, drängen, auf eurer Seite in die Kämpfe einzugreifen. Obwohl ich deinen Vater sehr schätzte, wäre ich diesem Wunsch sehr abgeneigt gewesen. Ich wäre vielleicht bereit, bei der Verteidigung Elhalyns zu helfen, würde man euch hart bedrängen, hätte es aber vermieden, gegen die Ridenows vorzugehen.«
»Solch eine Bitte habe zwar ich nicht geäußert, Sir«, bemerkte Allart, »aber würdet Ihr mir dennoch Euren Grund nennen?«
»Den Grund? Du fragst nach dem Grund? Nun, dann sage mir, Junge«, erwiderte Aldaran, »welchen Groll du gegen die Ridenows hegst?« »Ich persönlich? Keinen, Sir, außer, daß sie einen Luftwagen angriffen, in dem ich mit meinem Vater fuhr, und damit seinen Tod verursacht haben. Die anderen Reiche der Tiefländer sind gegen die Ridenows, seit sie das alte
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