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Herrin des Blutes - Thriller

Herrin des Blutes - Thriller

Titel: Herrin des Blutes - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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einem angestrengten Stöhnen auf die Beine kam. Er blinzelte und stutzte, als er Marcy mit der Schaufel vor sich sah. Er war noch immer vollkommen perplex, als sie die Arme über den Kopf hob und die Schaufelkante in seine Richtung drehte. Es war, als könne er einfach nicht glauben, dass Marcy ihm das wirklich antun wollte. Erst im allerletzten Moment kam ihm der Gedanke, der heruntersausenden Schaufelfläche auszuweichen. Er hätte es beinahe geschafft, aber die scharfe Kante des Werkzeugs schlitzte ihm die Wange auf und schleuderte ihn taumelnd zurück ins Loch.
    Marcy sprang ihm hinterher und baute sich breitbeinig über seinem liegenden Körper auf. Michael stöhnte und blickte durch einen Schleier aus Tränen zu ihr auf. Er konnte noch immer nicht fassen, wie ihm geschah. Der dämliche Mistkerl. Marcy fasste den Schaufelstiel ganz am Ende und hielt ihn wie einen Presslufthammer vor sich. Michael kreischte und versuchte, wegzurutschen, aber er konnte nirgendwohin. Als sein Hinterkopf gegen eine Wand aus feuchter Erde stieß, blieb er liegen. Er öffnete den Mund, um ein letztes flehentliches Gnadengesuch an sie zu richten.
    Marcy ging in die Hocke und rammte ihm die Schaufelfläche an die Kehle. Eine Fontäne aus Blut schoss rund um die schmutzige Schaufel durch die Luft, und Marcy betrachtete die blutige Kaskade mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Michael wehrte sich, ruderte wild mit den Armen und versuchte, nach der Schaufel zu greifen. Inzwischen musste ihm zwar klar geworden sein, dass sein Ende gekommen war, aber er wehrte sich trotzdem mit aller Kraft, die er aufbringen konnte. Marcy beugte sich nach vorne und trieb die Schaufel mit dem kompletten Gewicht ihres Oberkörpers noch tiefer in seinen Hals. Das knirschende Geräusch von Metall auf Knochen drehte ihr den Magen um, aber sie beugte sich noch weiter vor, und dann war Michael tot.
    Sie schluckte schwer und ließ die Schaufel los. Ihr Herz raste und ihr Atem ging flach. Sie starrte auf Michaels entsetzlich regloses Gesicht und versuchte krampfhaft, etwas anderes zu empfinden als Taubheit. Das seltsam positive Kribbeln, das sie noch vor Kurzem verspürt hatte, schien von ihr abgefallen zu sein. Sie starrte in die toten Augen des Jungen und versuchte, eine Spur des Menschen auszumachen, den sie gekannt hatte. Aber was immer es auch gewesen sein mochte, das ihn einzigartig und zu dem Michael gemacht hatte, den sie kannte – es war für immer verschwunden.
    Und das war allein ihre Schuld. Sie war eine Mörderin. Sie musste an den Penner im Overton Park im vergangenen Sommer denken. Das Bild, wie er nach dem zweiten Schlag mit der schweren Weinflasche umgefallen war und sich nicht mehr bewegt hatte, hing noch lebhaft in ihren Gedanken. Sie hatten ihm seinen Fusel und das lächerliche bisschen Kleingeld abgenommen. Marcy konnte sich auch noch an das dunkle Blut erinnern, das aus der tiefen Wunde an seinem Hinterkopf sickerte und das Gras unter ihm verfärbte. Er schien nicht mehr zu atmen, als sie sich aus dem Staub machten. Der Tod des obdachlosen Mannes war nie offiziell bestätigt worden. Aber Marcys Bauchgefühl sagte ihr, dass sie an jenem Sommerabend erstmals zur Mörderin geworden war.
    Aber diese Geschichte war in vielerlei und ganz entscheidender Hinsicht etwas vollkommen anderes. Der alte Säufer war ohnehin nicht viel mehr als ein wandelndes Opfer gewesen, die zerstörte Hülle eines Menschen, um den sich niemand allzu große Sorgen machte – wovon auch das Schweigen der Lokalpresse kündete. Es war, als hätte der Mann nie wirklich existiert. Aber Michael kannte sie seit ihrer Kindheit. Wusste, wie er aufgewachsen war und verzweifelt versuchte, irgendwo dazuzugehören. Sie wusste, was er mochte und nicht mochte, kannte seine Lieblingsbücher und bevorzugten Bands. War oft bei ihm zu Hause gewesen. In gewisser Weise kam es ihr vor, als hätte sie jemanden aus ihrer eigenen Familie getötet.
    Sie berührte sein Gesicht und streichelte die bereits kälter werdende Wange. »Es tut mir leid, was passiert ist, Michael. Hättest du doch nur den Mund gehalten und dich angepasst wie alle anderen …« Während sie mit ihm sprach, kehrte das vage Gefühl von Bestimmung – von Schicksalserfüllung – zurück. »Ich habe doch nur getan, was ich tun musste, verdammt noch mal. Wo immer du jetzt bist, ich hoffe, dass du das weißt. Aber es tut mir trotzdem leid, okay?«
    Der tote Junge gab keine Antwort.
    Marcy erhob sich und stemmte sich aus

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