Herrin des Blutes - Thriller
dem Loch.
Zum ersten Mal bemerkte sie, dass die Vorderseite ihrer Kleidung mit klebrigem, geronnenem Blut bespritzt war. Auf ihren Händen und Armen fand sich noch mehr davon. Scheiße, es war überall. Sie würde alle Hände voll zu tun haben, wenn sie den anderen im Haus das erklären wollte. Und dann gab es da noch das Problem mit Michaels Abwesenheit. Es dürfte den anderen nicht allzu schwer fallen, eins und eins zusammenzuzählen.
Mist!
Marcy schüttelte angewidert den Kopf, während sie versuchte, das Blut von ihren Händen abzubekommen. Das hatte sie nun davon, dass sie so überstürzt gehandelt und die Angelegenheit nicht bis zum Ende durchdacht hatte. Aber der Wutausbruch, der sich gegen sie selbst richtete, ebbte schon bald wieder ab. Sie hatte die Tat nun einmal begangen, und es gab keine Möglichkeit, sie wieder rückgängig zu machen. Sie konnte nur noch nach vorne blicken und versuchen, spontan einen Ausweg aus diesem Durcheinander zu finden.
Als ihr Blick auf den frisch aufgeschütteten Erdhaufen neben dem Grab fiel, kam ihr eine Idee. Sie schnappte sich die Schaufel und beförderte die Erde unter Hochdruck zurück in das Loch. Sie hörte erst auf, als der Waldboden durch die unterste Schicht, die aus feuchter Erde bestand und sehr matschig war, schimmerte. Sie kniete sich neben den verbliebenen Rest und schaufelte ein wenig Dreck auf ihre Hände. Dann verschmierte sie ihn auf ihrem T-Shirt. Der Matsch vermischte sich wunderbar mit dem Blut und verbarg es wirkungsvoll. So musste sie es nicht wegwischen. Für den Moment musste das reichen. Weitere zwei Handvoll Schlamm verteilte sie auf ihren Jeans. Mit dem restlichen Wasser aus der Flasche schaffte sie es, den Großteil des Bluts abzuwaschen, das an ihren Unterarmen klebte.
Das sollte fürs Erste reichen. Was Michael anging, würde sie den anderen erzählen, er sei spazieren gegangen. Die Ausrede würde ihr ein wenig Zeit verschaffen, vielleicht sogar genug, um sich zu waschen und eine glaubwürdigere Story einfallen zu lassen.
Zufrieden wandte sie sich von dem halb zugeschütteten Grab ab und begab sich auf die kurze Wanderung aus dem Wald hinaus. Wenig später trat sie zwischen den Bäumen hervor auf das weite Feld, das sich hinter dem Haus erstreckte. Das Feld war mit Gras überwuchert und hier und da lagen ausgemusterte Farmwerkzeuge verstreut. Marcy stapfte durch das hohe Gras auf das Gebäude zu, das etwa einen halben Kilometer entfernt auf einem Hügel stand.
Sie hatte das Grundstück zusammen mit ihrer Schwester vor einem Jahr geerbt. Ihre Eltern waren bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen, als ihr Subaru mitten auf einem Bahnübergang liegen blieb. Soweit sie wusste, waren die beiden betrunken gewesen und hatten Drogen eingeworfen. Wie immer. Womöglich war außerdem das Radio voll aufgedreht gewesen, sodass sie das dröhnende Warnsignal der Lokomotive wahrscheinlich erst hörten, als diese sie überrollte und wie zwei Insekten zerquetschte. Anfangs hatte Marcy mit dem Gedanken gespielt, die Farm auf Vordermann zu bringen und den landwirtschaftlichen Betrieb wieder aufzunehmen. Aber schon bald erkannte sie, dass dieses Unterfangen absolut töricht war. Sie hätte die anfallende Arbeit ohnehin nicht bewältigen können.
Die meisten Leute hätten alles für ein eigenes Haus gegeben, das zudem komplett abbezahlt war, aber Marcy empfand es eher als lästiges Übel. Es lag ihr nicht, Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Und es gab so vieles, woran sie denken musste. Grundsteuer, Wasser, Strom und ein Riesenhaufen bunt gemischter Instandhaltungskosten. Sie hatte bereits einen Großteil des Geldes verschleudert, das ihre Eltern ihr und ihrer Schwester hinterlassen hatten. Es war sowieso nicht allzu viel gewesen und keine von ihnen verfügte über ein eigenes Einkommen.
Die Aussicht, sich einen Job suchen zu müssen, fand sie schrecklich. Am liebsten wäre sie einfach abgehauen. Sie fragte sich, ob die verrückten Dinge, die seit dem Sommer passiert waren – der Mord an dem Penner, die Entführung der Frau und das Abschlachten von Michael – womöglich Anzeichen dafür waren, dass sie sich in einer selbstzerstörerischen Abwärtsspirale befand. Als sie noch ein wenig darüber nachdachte, musste sie lachen. Ein wahnsinniges Lachen, das an Hysterie grenzte.
Als sie die Hintertür des Hauses erreichte, trat sie – so leise sie konnte – in die leere Küche. Sie hörte gedämpfte, allem Anschein nach erregte Stimmen. Sie schienen
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