Herrin des Blutes - Thriller
sie flennten wie Schlosshunde und um ihr Leben bettelten. Marcy betätigte den Abzug der Glock noch zweimal und beide Jungen fielen tot zu Boden.
Marcys Ohren klingelten vom Knallen der Schüsse. Der beißende Geruch von Schießpulver hing schwer in der Luft. Erst einige Augenblicke später nahm sie wahr, dass jemand schrie. Sie entdeckte Ellen, die noch immer in der Zimmerecke hockte, die Augen weit aufgerissen und angsterfüllt. Dann hörte Marcy ihr eigenes Herz, das wild pochte, und im nächsten Moment traf sie die Realität mit voller Wucht. Sie hatte all ihre Freunde getötet. Oh Gott! Der verbliebene Rest ihrer geistigen Gesundheit hing an einem seidenen Faden. Was sie getan hatte, ergab, objektiv betrachtet, überhaupt keinen Sinn. Und doch verspürte sie ein Gefühl der Selbstgerechtigkeit, das ihr sagte, dass sie lediglich getan hatte, was das Schicksal von ihr verlangte, ganz gleich, wie verrückt es erscheinen mochte.
Sie senkte die Waffe, ging zu ihrer Schwester, kniete sich neben sie und strich ihr mit zitternder Hand das Haar aus dem Gesicht. »Ich habe gemeint, was ich sagte, Schwesterherz. Es wird alles gut. Du wirst schon sehen. Das hier … musste einfach getan werden. Das war eine … eine Reinigung. Und vielleicht der Beginn von etwas Neuem für dich und mich.«
Ellen schniefte. »Du … willst mich … gar nicht umbringen?«
Marcy spürte, wie etwas in ihr zerbrach. Sie ließ die Waffe fallen und zog Ellen in ihre Arme, während sich ihre eigenen Augen mit Tränen füllten. »Nein, nein, nein. Das darfst du niemals denken, Ellen. Ich könnte dir niemals wehtun. Du bist doch meine Kleine, meine einzige Familie, und ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.«
Ellen lehnte sich an ihre Schwester und heulte wie ein Baby. Marcy drückte sie ganz fest an sich, streichelte ihren Rücken und ließ ihr so viel Zeit, wie sie brauchte, um sich zu sammeln. Ihre eigenen Tränen trockneten schneller, als sie erwartet hatte, während sich ihr Verstand bereits wieder praktischen Überlegungen zuwandte. Sie hatte keine direkten Nachbarn, deshalb machte sie sich auch keine Sorgen, dass jemand die Schüsse melden würde. Trotzdem mussten sie von hier verschwinden. Irgendwann würden die Familien der Toten ihre Lieben als vermisst melden, und früher oder später würde die Polizei auftauchen und herumschnüffeln. Und sie hatte keine plausible Idee, wie sie ein derartiges Blutbad vertuschen oder das Verschwinden ihrer Freunde erklären sollte, von denen bekannt war, dass sie den Großteil ihrer Zeit bei ihr zu Hause verbrachten.
Marcy löste sich behutsam aus der Umarmung ihrer Schwester und hob die Glock auf. »Wir verschwinden von hier, Ellen. Wir hauen ab.« Als sie merkte, dass ihre Schwester protestieren wollte, fuhr Marcy mit mehr Nachdruck in der Stimme fort: »Wir gehen, und damit Schluss. Es ist zu spät für Reue oder Zweifel. Wir müssen abhauen, irgendwohin, ganz weit weg von hier. Florida, vielleicht, irgendwo in den Keys. Wäre das nicht schön? Wenn wir in den nächsten zwei Stunden verschwinden, haben wir einen ganzen Tag Vorsprung, bevor die Bullen anfangen, nach uns zu suchen.«
Ellen kaute auf ihrer Unterlippe herum und runzelte die Stirn. »Aber … ich hab doch gar nichts gemacht. Kann ich nicht hierbleiben?«
Marcys Gesichtszüge entgleisten. Sie starrte ihre Schwester einen Augenblick lang mit eiskalten Augen an. Dann drückte sie die Glock an Ellens Schläfe und sagte: »Du kommst mit mir. Ich liebe dich, Ellen, aber ich kann niemanden zurücklassen. Hast du das verstanden?«
Ellen begann erneut, unkontrolliert zu zittern. »Du hast versprochen, dass du mir nicht wehtust.«
»Sieh dich mal um, Ellen«, herrschte Marcy sie an. Sie nahm den Finger vom Abzug, hielt den Lauf der Glock aber weiter auf Ellens Kopf gerichtet. »Ich will dir ehrlich nicht wehtun. Und ich liebe dich wirklich. Aber ich fühl mich im Moment nicht besonders ausgeglichen. Du solltest mich wirklich nicht verärgern. Hast du das verstanden?«
Ellen nickte. »Ja. Es tut mir leid. Ich komme mit.«
»Vergiss nicht, Schwesterchen: Du hast die ganze Sache hier in Bewegung gesetzt, als du zu mir gerannt bist, um mir unter Tränen von dieser Schlampe zu erzählen, die dich in der Kneipe angegriffen hat.«
Ellen brach erneut in Tränen aus und ihre schmalen Schultern bebten unter der schwarzen Bluse.
Marcy senkte die Glock und stand auf. »Es tut mir leid, Ellen, aber genau so ist es. Ich will, dass du
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