Herrin des Blutes - Thriller
aus dem Wohnzimmer zu kommen. Sie bewegte sich so leise wie möglich vorwärts, durchquerte die Küche und trat in den Flur, der zu ihrem Schlafzimmer führte. Am Durchgang zum Wohnzimmer blieb sie stehen. Die Stimmen verstummten plötzlich. Nicht dass es noch eine Rolle gespielt hätte. Sie hatte genug gehört, um zu wissen, dass über sie geredet wurde. Nichts Positives.
Sie lugte hinein und lächelte schwach, als sie die beklommenen Gesichter sah. »Wir sind fast fertig. Michael ist spazieren gegangen, aber er müsste bald zurück sein. Ich wasch mich eben schnell, dann können wir alles besprechen, okay?«
Ellen saß ein wenig abseits. Sie hockte in einer Ecke auf dem Boden, die Knie dicht an die Brust gezogen. In ihren Augen standen Tränen, als sie ihre Schwester anschaute. Sie runzelte die Stirn, als sie den Dreck an Marcys Kleidung bemerkte. »Ist alles … okay?«
Marcys Lächeln wuchs in die Breite. Mit einem Nicken antwortete sie: »Ja. Alles bestens. Zieh nicht so einen Flunsch, Kleine. Es wird alles gut.«
Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, sobald sie sich von den anderen abwandte und den Flur entlangging. Ihr Zimmer lag am Ende des Ganges. Die Tür war verschlossen. Niemand – nicht einmal Marcy – hatte bisher den Mut aufgebracht, es erneut zu betreten. Kein Wunder. Die Frau, die an ihr Bett gefesselt war, schien telekinetische oder übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. Marcy lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als sie sich daran erinnerte, wie die Frau in ihren Verstand eingedrungen war und eine Zeit lang ihre motorische Kontrolle außer Kraft gesetzt hatte. Sie fand den Gedanken, dieser seltsamen Frau erneut gegenübertreten zu müssen, nicht allzu verlockend. Aber es ließ sich nicht vermeiden – sie brauchte etwas, das sich in ihrem Zimmer befand.
Als sie sich der Tür näherte, nahm sie einen Gestank wahr, der von der anderen Seite in ihre Nase stieg. Bei der Quelle des Gestanks musste es sich um Sonias Leiche handeln. Marcy hielt kurz inne und ihre Hand schwebte zitternd über dem Türknauf. Sie legte ihr Ohr an das dünne Holz und lauschte nach einem Anzeichen dafür, dass die Frau wach war. Zunächst hörte sie nichts, nahm dann jedoch ganz leise den flachen Atem der anderen wahr. Bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte, griff sie nach dem Knauf, huschte ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Ihr Blick wanderte zu der Frau hinüber, die an ihr Bett gefesselt war. Sie lag ganz still. Ihr Kopf war zur Seite gedreht und ein Büschel tiefschwarzes Haar fiel wie ein Schleier über ihr Gesicht. Die Brust hob und senkte sich kaum merklich, und ein ganz leises Schnarchen bestätigte, dass die Frau schlief.
Marcy eilte zur Kommode hinüber, die links neben dem Bett stand. Sie kniete sich hin und öffnete die unterste Schublade, schob ein paar abgenutzte Klamotten beiseite, die sie gerne zum Rumgammeln trug, und fand den L-förmigen Gegenstand aus Metall. Die 9-Millimeter-Glock fühlte sich beruhigend in ihren Händen an und der vorgeformte Plastikgriff schien sich an ihre Haut zu schmiegen wie ein Lebewesen. Sie stand auf und sah zu der schlafenden Frau hinüber. Es wäre so einfach, sie zu töten und damit eines ihrer beschissensten Probleme für immer loszuwerden.
Aber die anderen würden den Schuss hören und ausrasten. Wahrscheinlich weglaufen.
Sie schluckte schwer.
Tu’s einfach.
»Sicher.«
Sie ging zur Tür, öffnete sie mit größter Vorsicht und trat leise in den Flur. Sie hatte den Durchgang zum Wohnzimmer beinahe erreicht, als Michaels Cousin in den Flur trat. Als er sah, dass sie eine Waffe in der Hand hielt, starrte er sie mit weit aufgerissenem Mund an.
Marcy hob die Waffe und drückte den Abzug.
Die Kugel traf ihn mitten in die Brust. Leuchtendes Rot in Form eines Rosenblütenblatts verfärbte die Vorderseite seines T-Shirts, während sein Körper zurückprallte. In diesem Moment blendete Marcy sämtliche Gedanken aus. Sie rannte ins Wohnzimmer und sah, dass die anderen Jungs aufgesprungen waren. Zwei von ihnen standen neben dem Sofa und brüllten sie an. Der andere, ein Asiate namens Kim, schob sich langsam in Richtung Haustür. Marcy zielte blitzschnell mit der Glock auf Kim und feuerte zwei Schüsse ab. Eine der Kugeln sauste an ihm vorbei und durchschlug die Wand. Die zweite bohrte ein Loch in seinen Hinterkopf. Dann wirbelte sie herum und richtete die Waffe auf die beiden anderen Jungs, die vor ihr zurückwichen, während
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