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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Doch gab er die Anordnung, ihn sich selbst zu überlassen, damit er die gleichen Aussichten auf Überleben hatte wie jeder andere, der schlecht bewaffnet in den ungleichgewichtigen Kampf ging.
    Den Ring behielt der Oberst, aber der Verlust tat Lenz nicht leid. Sollte er wider Erwarten lebend aus dieser Sache herauskommen und Ada wiederfinden, dann wollte er ihr in Bristol einen Ring schmieden lassen, den sie ihm nie wieder zurückgeben würde. Er sah ihn schon vor Augen, so wie er sie vor Augen sah, obwohl er bei einem Sandhügel kauerte, neben den er sich vor einer Weile geworfen hatte. Wie die erfahrenen Soldaten machte er es, die auf diese Art den Kugeln der schwedischen und der eigenen Musketiere auswichen. Eine Salve, zwei Salven, drei, dann sprangen sie auf und rannten brüllend vor, ehe alle Musketen nachgeladen waren. Einige blieben jetzt schon für immer liegen.
    Lenz hatte nichts anderes vor, als sich seitwärts vom Schlachtfeld herunter in die Büsche zu schlagen, doch das Feld war groß, und der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Die Hauptleute wussten, dass mehr als einer gern die Flucht ergriffen hätte, und noch passten sie auf, dass es keinem lebend gelang.
    Bis sich Auflösung und Durcheinander ausbreiteten, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit den anderen nach vorn zu stürmen, keinen Gedanken mehr im Kopf außer das rechtzeitige Wegducken, Hinwerfen, Aufspringen, Rennen.
     
    Ada wusste, dass es Tage dauern konnte, und zählte dennoch die Stunden. Sie musste sich zwingen, nicht jedes Mal auf den Turm zu steigen, wenn sie das Haus verließ. Die kleinen Tätigkeiten, denen sie nachging, schienen ihren Sinn nur noch darin zu haben, sie vor dem Wahnsinn zu bewahren.
    Am Nachmittag des zweiten Tages läutete endlich die Glocke. Ada warf die Wasserkanne neben das Gemüsebeet und lief zum Tor, so schnell die Pantinen es erlaubten. »Sind sie’s?«
    »Nein. Oh lieber Gott, lieber Gott, nein«, rief Frau Schwarke schrill zurück und fing an, das Vaterunser herunterzubeten.
    Ada stürmte die enge Treppe hoch, Ottman kam kurz nach ihr an und folgte ihr nach oben. »Wer ist es denn?«
    »Der Graf von der Heidmark.« Die Bäuerin betete weiter, kaum dass sie es ausgesprochen hatte, und es war leicht zu sehen, warum. Graf Ferdinand kam nicht allein, sondern mit vierzig Mann und schwer bewaffnet.
    »Die Kinder ins Versteck«, sagte Ada und scheuchte die erschrockene Bäuerin vom Turm. »Ottman, ich glaube, das geht schief.«
    Der Knecht sah neben ihr durch die Luke. »Jau. Dat glöv ik ok.«
    »Leistet keinen Widerstand. Versteckt euch alle.«
    Flinke Schritte sausten die Treppe herauf. »Was ist los? Sind sie zurück?«, fragte Dierk.
    »Es ist der bösartige Onkel vom Herrn. Graf Ferdinand. Ich bin sicher, dass er uns mit seinem Haufen überrennen wird. Dierk, ich will, dass niemand sich in Gefahr bringt. Lauf herum und sag allen, sie sollen sich verstecken. Kämpfen ist sinnlos. Dann gehst du zu Luise in die Küche und lässt dich mit den anderen ins Versteck bringen.«
    »Nein. Das geht nicht. Was macht Ihr dann?«
    »Ich versuche noch zu verhandeln und verstecke mich dann. Ottman, bring mir eine von den Pistolen. Herr Carton hat sie geladen.«
    »Ihr wollt wohl nich scheten?«
    »Das wird sich zeigen. Nun lauf.«
    Adas Leute hetzten über den Hof hin und her, aber sie hatte nur Augen für den sich nähernden Feind. Ihr Kleid klebte schweißnass an ihr, ihr Herz raste, und ihr Mund war trocken. Sie faltete die Hände zum Gebet, doch ihr fehlten die Worte. Als die Männer nah genug herangekommen waren, erkannte sie in der ersten Reihe neben dem Mann, der seiner kostbaren Ausstattung nach Graf Ferdinand sein musste, ihren Paten Stechinelli. Er saß gebeugt zu Pferd, schien aber unversehrt. Als wäre das nicht genug, hatte sich Matthias Märtens an seiner Seite eingefunden. Unverkennbar war seine hagere, steife Figur.
     
    Curds Söldnertruppe war, nachdem sie Stechinelli samt Geständnis und vor Angst nassen Hosen beim Richter von Hermannsburg abgegeben hatte, bald auf die Schweden gestoßen.
    Christopher hatte sich mittlerweile an die Art gewöhnt, wie Curd wortkarg erstaunliche Dinge zuwege brachte, aber was er im gefechtsbereiten schwedischen Heer zu ihren Gunsten bewirkte, war nicht nur sein Werk. Am zweiten Tag begegneten sie einer schwedischen Kompanie, die den Namen Lorenz von der Wenthe bereits kannte. Hauptmann Jonsson begriff ihr Anliegen sofort und bot seine Unterstützung an. »Wie ich es der

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