Herrin wider Willen
Ehemann würde ich verlangen, dass er hierbleibt und arbeitet. Ein Herumtreiber nützt mir nichts.«
Curd drehte sich zu ihr um. »Erst muss ich wohl den Herrn von der Wenthe zurückholen.«
Luise machte ein Gesicht, gegen das eine verregnete Herbstnacht hell und heiter war. »Wir sind ja auch noch nicht verheiratet. Du holst den Herrn, und dann hilfst du hier das Gut führen, mit den Kerlen da.« Angewidert wedelte sie in Richtung der Söldner, die in belustigtes Murren und Spotten ausbrachen.
Ada war nur eines bei diesem Handel wichtig. »Wann brecht ihr auf?«
»Sobald wir deinen Vater unter die Erde gebracht haben«, sagte Christopher.
Noch vor der Nacht stand Ada am Grab ihres Vaters auf dem Friedhof von Wenthe. Sie hatte mit Christopher ein Papier aufgesetzt, das den Tod von Gotthard Lobeke bescheinigte und von allen Zeugen unterschrieben wurde, die etwas wie eine Unterschrift zustande brachten. Des Weiteren verfassten sie ein Geständnis, das Stechinelli samt einer Abschrift unterzeichnete, nachdem Curd und einer seiner Männer eine Weile allein mit ihm gewesen waren. Ada fragte nicht, wie sie ihn dazu gebracht hatten.
Ihr fiel beim besten Willen nicht ein, was mit Stechinelli geschehen sollte, wenn die Männer wieder fortritten. Auf dem Anwesen wollte sie ihn nicht behalten, gefesselt oder nicht.
Sie weinte ihrem Vater nicht mehr Tränen nach, als der in seinem Leben freundliche Worte für sie gehabt hatte, aber Stechinellis irre Bluttat hatte sie dennoch bis ins Mark erschüttert. So nah war ihr der gewaltsame Tod noch nie gekommen, so unsicher hatte sie sich in der Welt vorher nie gefühlt. Die Erkenntnis, wie schnell sich ein Leben beenden ließ, gab ihr das Gefühl, dass der Boden unter ihren Füßen wankte. Solange sie Stechinelli sehen musste, würde sie sich davon nicht erholen.
Schließlich bat sie Curd, ihren Paten mitzunehmen.
»Aufhängen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ein Richter so entscheidet.«
»Ich finde Euch einen Richter für jedes Urteil, das Ihr wünscht, Frau Gräfin. Das ist nicht schwer, wenn es im Beutel klingelt.«
»Ist das so? Aber wenn ich nicht entscheiden möchte?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir werden ihn schon los.«
Am nächsten Morgen brachen sie auf, noch bevor die Lerchen sangen. Nebel hing über der Heide und verschluckte den Rettungstrupp, während Ada ihm vom Turm aus nachsah.
Angesichts eines Scharmützels, das man nicht Schlacht nennen durfte, weil die Seite, auf der man stand, hoffnungslos unterlegen war, schienen Triumphgefühle absurd. Dennoch fühlte Lenz sich, als hätte er schon einen Sieg errungen. Wenn er an diesem Tag starb, würde er es nicht ohne Gegenwehr tun: Er hatte eine Waffe. Es war ihm gelungen, seine Trümpfe auszuspielen, und sein Glück hatte für ihn ein kleines Wunder bewirkt. Die Mörder in seinem Rücken waren zurückgepfiffen, und sein Rapier hatte er behalten dürfen.
Der Oberst hatte von der Waffe bereits gewusst, denn das Tauschgeschäft war der Anlass gewesen, ihn zu sich zu rufen. Der geschäftstüchtige Pikadier hatte die Initialen auf dem eingehandelten Ring gesehen, die gleichen, die ein verschollener Schwager des Oberst führte. Er hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als den Ring zum Kommandanten zu schleppen.
Lenz hatte berichten müssen, wie er an den Ring gekommen war. Mit der Geschichte, wie er seine Hose gegen das Schmuckstück getauscht hatte, um einer Frau zu schmeicheln, und wie sie ihm den Ring zurückgegeben hatte, weil sie böse mit ihm war, hatte er den Oberst amüsieren können. Den Verbleib des Schwagers aufzuklären gelang dabei jedoch nicht, denn von dem hatte Christopher den Ring nicht erhalten.
Immerhin hatte Lenz aber die Aufmerksamkeit des Oberst geweckt und nutzte sie mit allem Geschick, das ihm zu Gebote stand.
Wie viele Machthaber, litt der Kaiserliche Oberst unter Verfolgungswahn und Misstrauen gegen alle, die ihn umgaben. Lenz hatte ihn zielstrebig bei dieser schwachen Stelle gepackt und sich sein Wohlwollen gesichert, indem er ihm den Bezoar zum Geschenk gemacht hatte, den letzten Schatz aus seinem Hosensack. Wusste der Himmel, warum er ihn auf Wenthe nicht herausgenommen hatte.
Ein geschickter Hinweis auf die Schuldscheine hatte den Mann zudem davon überzeugt, dass Graf Ferdinands Auftrag nicht so sehr zu seinem Vorteil war, wie er glaubte.
Laufen ließ der Oberst Lenz deswegen nicht. Das konnte er allein schon um der Moral seiner Soldaten willen nicht tun.
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