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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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hätten das getan.
    Nun stieß die Frau im Trauerkleid einen auffallend verspäteten Entzückensschrei aus. »Aach! Konstantin, Junge, bist du das wirklich? Dem Himmel sei Dank. Dein armer Vater. Es hat ihn gereut, dass ihr so im Streit auseinandergegangen seid.«
    Der Magd Luise entkam daraufhin ein kurzes, höhnisches Lachen. Sie sagte jedoch nichts, sondern nutzte die Gunst des Augenblickes, entwendete dem abgelenkten Geistlichen mit einem schnellen Ruck den Strick der Kuh und zog das Tier mit sich in Richtung Stall. Der Geistliche wollte auffahren, ließ sie dann aber gehen.
    Lenz wandte sich der Frau zu, die ihn »Konstantin« nannte, wie es sonst nur sein Vater getan hatte. »Verzeiht. Aber ich glaube nicht, Eure Bekanntschaft bereits gemacht zu haben.«
    Sie kam zum Wagen getrippelt, das Kind immer an der Hand. Die Kleine sah blass und müde aus und hatte bläulich durchschimmernde Äderchen an Stirn und Schläfen.
    Die Wangen der Mutter dagegen waren rot. Ada war in ihrem Leben nicht vielen Frauen begegnet, die sich schminkten, diese tat es offensichtlich. Sie hatte ihr Gesicht weiß gepudert, die Wangen künstlich gerötet und die Brauen und Wimpern schwarz gefärbt. Das Ergebnis wirkte befremdlich, zumal unter der schwarzen Haube der Frau karge, weißblonde Löckchen hervorkamen und auf dem Trauerkleid ein großer weißer Kragen lag.
    »Ich bin eine gute Freundin deines armen Vaters gewesen, eine sehr gute.« Die Stimme der Frau brach, und sie schniefte. »Base dritten Grades, ja. Er hat doch sicher von mir erzählt. Cornelia von Questenberg, Junge. Dein Vater hatte die Güte, mir viele Jahre hier in seinem Haus ein Heim zu bieten. Erst ganz kurz vor deiner Ankunft hat er mir geraten, mit unserer kleinen … Ich meine, mit meiner kleinen Aegidia hier in die Stadt umzusiedeln. Der unsicheren Zeiten wegen, sagte er. Ich hätte ihn ja nie verlassen, aber er hat es mir ans Herz gelegt, und Aegidia zuliebe … Du wirst das verstehen, nicht wahr? Sieh sie dir an, den kleinen Schatz. Dein Vater war immer so sehr besorgt um sie.«
    Lenz atmete tief durch und band die Fahrleine an ihrer Öse fest. Er widmete Cornelia von Questenberg keinen weiteren Blick und sah auch das Kind nicht an.
    Luise war mit der Kuh beinah beim Stall. »Wo sind Ottman und Jakob?«, rief er ihr nach, bekam von der ungnädigen Magd aber keine Antwort.
    »Ich seh mich um«, sagte Christopher, überließ Dierk sein Pferd und ging Luise nach.
    »Wie kann ein Sohn abreisen, wenn sein Vater im Sterben liegt!« Der Geistliche presste die Lippen zusammen, sodass auch noch unter seinem Mund ein Wulst entstand. Ada versuchte ihre Belustigung zu unterdrücken, indem sie ihm nur in die Augen sah, doch seine Unterlider wurden von den Hängebacken so nach unten gezogen, dass ihr roter, innerer Rand sich nach außen stülpte, was sein Gesicht noch hundeähnlicher machte. Seine Stimme klang ölig und feindselig.
    »Aber lieber Pastor Hasenbein«, sagte Cornelia, »das Ganze war eine so unglückliche Geschichte. Ihr werdet dem Jungen das doch jetzt nicht zum Vorwurf machen.« Im Gegensatz zu Pastor Hasenbeins war ihre Stimme wie zuckerglasiert.
    Ada schob es auf ihre Reisemüdigkeit und die Anspannung, dass sie die beiden so komisch fand. Sie musste sich tatsächlich das Lachen verkneifen.
    »Pastor Hasenbein«, wiederholte Lenz mit beißendem Unterton und machte es Ada damit noch schwerer, die Fassung zu bewahren. »Ihr habt mir noch nicht gesagt, was Ihr mit der Kuh zu schaffen habt.«
    »Euer Vater muss bestattet werden. Die Kuh deckt die Kosten.«
    »Aber Ludwig hat für die Bestattung im Voraus bezahlt. Eurem Vorgänger, dem Pastor Sievers.« Cornelia legte dem Pastor beschwichtigend die Hand auf den Unterarm. »Das versuche ich Euch doch die ganze Zeit klarzumachen.«
    Pastor Hasenbein starrte sie an. »Ihr wart es, die gesagt hat, ich solle die Kuh nehmen.«
    »Aber doch für unsere anderen Kosten. Dafür solltet Ihr sie nehmen.«
    »Welche Kosten wären das wohl?«, erkundigte Lenz sich in gleichbleibend sarkastischem Tonfall.
    Die Frau von Questenberg sah ihn treuherzig an. »Oh. Der Bader. Die Leichenfrauen. Das Trauermahl. Der Lohn für das Gesinde, Trauerkleidung, Trauerschmuck. Die Reisekosten. All das. Das Leben muss weitergehen, nicht wahr?«
    Lenz seufzte. »Wer verwaltet den Nachlass?«
    Cornelia von Questenberg spitzte die Lippen und zuckte mit den Schultern. »Ein Beutelschneider. Ich habe deinem Vater von seinen unsinnigen letzten

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