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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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und hatte es dort bequemer als sie. Sein Ruhelager war zwar noch schmutziger als ihres, doch das machte ihm nichts aus.
    Auch die Männer schienen über den Schmutz und die schlechte Luft hinwegsehen zu können. Sie klagten am Morgen nur darüber, dass der Boden in der Kammer im Obergeschoss so mürbe sei, dass sie Angst gehabt hätten, in der Nacht mit dem beladenen Bett durchzubrechen. Sie hatten sich das große Ruhelager zu viert teilen müssen.
    Ada musterte Lenz besorgt, aber seit sie unterwegs waren, ging es ihm besser, zumindest nach außen hin. Das Einzige, was sich noch verschlimmert hatte, war sein Hinken. Mittlerweile hatte er sich einen Holzknüppel besorgt, den er als Krücke benutzte. Auf den Wagen und wieder herunter musste er sich helfen lassen.
    Es war nur ein zweistündiger Weg von Hermannsburg nach Wenthe, sie rasteten unterwegs nicht noch einmal. Noch vor der Mittagszeit bekamen sie daher das Gutshaus zu Gesicht. Es war befestigt wie eine kleine Burg, so wie Ada es auch vom Landsitz der von Bardelebens her kannte. In früheren Zeiten wäre das sicher genug gewesen, doch gegen Angreifer mit neueren Schusswaffen würden Graben und Mauer nicht lange schützen. Dennoch war die Mauer um das Anwesen zumindest ein Hindernis für Eindringlinge.
    An jenem Tag allerdings stand das große Tor halb offen, und der Turm daneben war unbemannt, niemand sprach sie an oder verkündete ihre Ankunft.
    Christopher spähte auf den Hof, gab Entwarnung und winkte sie heran. Einen Moment lang hatten sie Zeit, der Szene zuzuschauen, die sich vor dem großen, mit Efeu bewachsenen Haus abspielte.
    Ein schwarz gekleideter Geistlicher stritt sich mit einer Magd in braunem Schürzenkleid und blauem Kopftuch. Jeder von ihnen hatte eine Hand an dem Führseil einer weißen Kuh, die bei ihnen stand. Beide versuchten, dem anderen den Strick zu entwinden.
    Eine weitere, kleinere Frau in Trauerkleidung aus schwarzem Samt redete auf die zwei ein. An ihrer Hand hing ein etwa vierjähriges Mädchen, ebenfalls mit einem dunklen Kleid herausgeputzt.
    »Wer sind die Leute?«, erkundigte Ada sich.
    »Die Magd heißt Luise. Die anderen habe ich nie gesehen«, gab Lenz mit finsterem Gesicht zurück.
    Luise war es, die sie zuerst bemerkte. Die hochgewachsene junge Frau schrak zusammen, ließ die Kuh los und ging fluchtbereit einige Schritte rückwärts, bevor sie zu dem Schluss kam, dass die Ankömmlinge keine Bedrohung waren.
    »Mach das Tor zu, Luise«, befahl Lenz laut. »Hier geht vorerst nichts vom Hof.«
    Es entging Ada nicht, wie fassungslos Luise Lenz anstarrte und wie sie die Fäuste ballte, bevor sie an ihnen vorbei zum Tor lief.
    Lenz brachte den Wagen vor dem Geistlichen und der Kuh zum Stehen. Der Mann hielt den Strick nun mit beiden Händen, in seinem Gesicht stand verbissene Entschlossenheit geschrieben. Er trug eine Tonsur, der nackte Schädel in der Mitte glänzte. Seine Wangen hingen schlaff herunter, wie bei einer Bulldogge.
    Ada konnte Lenz’ Anspannung neben sich spüren, obwohl er sich gelassen gab. Ruhig legte er die Peitsche zu ihren Füßen quer.
    Neben ihnen stieg Christopher vom Pferd und winkte Dierk zu sich, der mit der üblichen Gewandtheit vom Kutschbock sprang.
    Ada sah sich zu Luise um, die eben einen gewaltigen Riegel vor das Tor legte. Die Magd war schlank, aber stark. Sie handhabte das schwere Tor mühelos allein.
    »Was glaubt Ihr für einen Anspruch auf diese Kuh zu haben?«, fragte Lenz den Geistlichen. »Auf welche Weise habt Ihr sie erworben?«
    Der Geistliche schob den Unterkiefer vor und lehnte sich ein wenig nach vorne, als stemmte er sich gegen den Wind. »Was ginge das Euch an? Wer seid Ihr?«
    Luise war wieder herangekommen und nahm Lenz die Antwort ab. »Das ist der junge Herr Graf. Euer Vater ist tot.« Sie spuckte Lenz den zweiten Satz verächtlich entgegen, eine Impertinenz, die sie bei vielen Herrschaften den Kopf gekostet hätte. Ada glaubte, neben der Verachtung in Luises Stimme einen Hauch von Zufriedenheit zu hören. Das weckte ihre Neugier.
    »Friede seiner Seele. Seit wann?«, erwiderte Lenz.
    »Vorgestern. Er liegt noch drinnen.« Luise verschränkte die Arme, ihr Blick streifte Ada und heftete sich dann aufs Wagenrad. Sie war wohl frech genug für unhöfliche Worte, aber den Herrschaften böse in die Augen zu starren, brachte sie doch nicht fertig.
    Ada vermutete, die junge Frau verurteilte Lenz dafür, dass er seinem Vater nicht bis zum Ende beigestanden hatte. Die meisten Menschen

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