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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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und die Nacht, die in seinem Gedächtnis fehlte. Da sie jedoch eindeutig aus seiner Nähe fliehen wollte, verging ihm die Lust dazu. Er konnte den Eindruck gewinnen, dass er sich in jenen Stunden schlecht gegen sie benommen hatte, so angespannt, wie sie sich in seiner Gegenwart oft verhielt.
    Mit einem Widerstreben, das ihn selbst erstaunte, ließ er ihre weiche Hand los. »Wie wäre es, wenn wir uns die Zeit mit einer Partie Mühle vertrieben?«
    Sie zog ihre Hand weg und umfasste das Gelenk, als hätte er ihr wehgetan. »Mühle?«
    »Das Kästchen mit den runden Spielsteinen.«
    »Ach so.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
    Ohne ihn anzusehen, machte sie sich wieder daran, Sachen zu sortieren und sorgsam einzupacken.
    Es war ihr wohl nicht bewusst, wie sehr sie ihn vor den Kopf stieß, dennoch machte sie ihn wütend. Freundlich klang er daher nicht, als er wieder sprach. »Dann gib mir das Buch und meine Brille.«
    Dass sie ihm die Sachen einfach wortlos reichte, machte ihn noch gereizter. Fast riss er sie ihr aus der Hand. Es war glücklicherweise nicht nötig, dass er ihr gefiel, dachte er.

 
    Das Bermächtnis des alten Grafen von der Wenthe
     

8
     
    Christopher hatte einen zweirädrigen Karren und ein kräftiges kleines Pferd kaufen können. Die Ladefläche des Wagens war gerade groß genug für zwei Truhen, zwei Körbe und einige Bündel. Lenz und Ada konnten mit Dierk gut nebeneinander sitzen, eine vierte Person hätte keinen Platz mehr gefunden. Christopher bevorzugte ohnehin sein Pferd, das er bequemer fand als den Wagen.
    Trotz aller Bemühungen hatte Eilert Dierks Onkel nicht gefunden. Beim Hospiz hatte man sich an ihn erinnert, denn er hatte Knoops Wagen dort stehen lassen. Doch er war spurlos verschwunden, noch bevor sein Freund begraben war.
    Da sie nicht schlüssig geworden waren, was für den Jungen nun das Beste war, hatten sie ihm die Wahl überlassen, und er hatte sich entschieden mitzufahren.
    Es war noch dunkel, als sie mit Hilfe der Knechte das Gepäck hinunter in den Hof brachten und dort auf den Karren luden. Weder Stechinelli noch Märtens waren im Haus, Gotthard Lobeke rumorte in seiner Kammer und kam erst heraus, als sie reisefertig waren. Über der Schulter ein Handtuch, stand er mit grimmigem Gesicht da und sah zu, wie seine Tochter zu ihrem Gatten und dem fremden Jungen auf den Kutschbock stieg.
    So im Halbdunkel, allein auf seinem Hof, hatte er etwas an sich, das Ada einen Hauch von Mitgefühl für ihn eingab, gleichgültig, wie anschuldigend er an ihr vorbeistarrte. »Ich schreibe dir bald«, sagte sie, als Lenz das Pferd antrieb, doch sie bekam keine Antwort.
    Auch die Abschiedsgrüße der Männer erwiderte ihr Vater bloß mit dem gleichen kalten Starren. Ada war von Herzen erleichtert, als er außer Sichtweite war.
    Zwei kleine Fuhrwerke, zwei Reisewagen, zweimal sechs beladene Maulesel und siebzehn Reiter reisten in der Gruppe, die sie nach Hermannsburg bringen sollte. Sie kamen weit schneller voran als mit dem vorigen Handelszug und hatten zudem zwei Führer, die genau darüber Bescheid wussten, wo Soldaten lagen und welche Dorfruine man besser schnell umfuhr, weil sich dort bewaffnete, hungrige Landleute aufhielten.
    Es sei in der Umgebung von Lüneburg nicht so arg wie mancherorts, wo die Leute sich gegenseitig auffraßen, sagten die Führer, aber viel fehlte nicht mehr. Sei doch zum Beispiel Barnstedt schon öfter geplündert worden, als man noch zählen könne, und man müsse nur Bardowick ansehen, wo sich schon dreimal die Brennmeister ausgetobt hätten. Eine ganz neue Profession wäre das, die Brennmeister. Hätten früher die Meister des Löschens größten Respekt genossen, so seien es nun die, die das Gegenteil bewirkten.
    Dank der höheren Geschwindigkeit und der Führer, die sie vor Zwischenfällen bewahrten, gelangten sie schon am Abend nach Hermannsburg. Die einzige Unterkunft dort war ein Haus, dessen Ziegeldach aussah wie der durchhängende Senkrücken eines alten Kleppers.
    Ada hatte in ihrem Leben nur wenige Male in Gasthäusern übernachtet. Das Gasthaus in Hermannsburg überzeugte sie davon, dass sie auf die Erfahrung auch in Zukunft gern verzichten wollte. Zusammen mit Dierk wurde ihr von der Wirtin eine Kammer zugeteilt, wo sie ein Bett mit zwei weiteren Frauen teilte, von denen die eine schnarchend ihre schlechten Zähne lüftete und die andere sich die ganze Nacht kratzte. Dierk schlief auf zwei alten Schaffellen vor der Glut im Kamin

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