Herrin wider Willen
misstrauisch, wie Cornelia es tat. Ada überlief es kalt, so feindselig wirkte Luise. Mit einem tiefen Atemzug verließ sie die Bauern und steuerte auf die Magd zu. Zu ihrem Bedauern schloss Cornelia sich ihr an; sie tat, als merkte sie es nicht. »Luise, wie lange bist du schon in diesem Haus?«
Luises Miene war versteinert, sobald sie gemerkt hatte, dass Ada auf sie zukam. »Solange ich lebe.«
Ada musste zu der Magd hinaufsehen, so groß war sie. »Du bist hier geboren?«
»Ja, gnädige Frau.«
Kein Wort zu viel, dachte Ada. »Dann kennst du den Haushalt gut. Sag mir doch, was deiner Ansicht nach am dringendsten getan werden muss und woran der schlimmste Mangel herrscht.«
Für einen winzigen Moment blitzte giftiger Spott in Luises Augen auf. »Wenn man sich bescheidet, mangelt es nicht.«
Ada hatte bereits erwartet, dass sie an Luise länger würde arbeiten müssen, und war von der abweisenden Auskunft weder überrascht noch entmutigt. Doch bevor sie weitersprechen konnte, fuhr Cornelia von Questenberg dazwischen.
»Was ist das für eine Antwort, du Gans? Nur weil der alte Herr von der Wenthe dir gegenüber Nachsicht bewiesen hat, brauchst du nicht zu denken, dass eine neue Herrschaft sich von dir Unverschämtheiten bieten lässt. Antworte anständig, wenn du gefragt wirst.« Sie wandte sich Ada zu. »Aber das kommt davon. Man darf die Dienstboten nicht fragen. Ich selbst kenne den Haushalt gut genug und kann dir genau sagen, woran es mangelt, mein Kind. An allen Ecken und Enden nämlich. Es mangelt überall. Keine Seife, kein Pfeffer, kein Honig, kein Faden feines Garn zum Strümpfestopfen. Es wird nötig sein, ein Vermögen in dieses Haus einzubringen, um nur die gewöhnlichsten Annehmlichkeiten wiederherzustellen. Seit Ludwig den Verwalter entlassen hat, sind hier viele Rechnungen nicht aufgegangen, um es nachsichtig auszudrücken. Ich kann dir und deinem Gatten nur raten, den Mann wieder einzustellen. Er kennt sich hier besser aus als jeder andere.«
Luises Gesicht blieb reglos. Ada wollte diese Zurückhaltung durchdringen. Hinter der Maske der jungen Frau war Wichtiges verborgen, das spürte sie. »Ich danke Euch für Euren Rat, Frau von Questenberg, aber Luises Ansicht ist durchaus richtig. Wir werden uns gewiss für lange Zeit bescheiden müssen. Einige Notstände lassen sich allerdings beheben. Wenn du die Frage gründlicher bedacht hast, kannst du mit der Antwort zu mir kommen, Luise.« Damit wandte Ada sich sowohl von ihr als auch von Cornelia ab und begab sich zu den beiden alten Frauen, die noch stumm abwartend auf ihrem Platz verharrten.
Zu ihrem Erstaunen gesellte sich Lenz zu ihr. Erna knickste vor ihm, die Behnsche nickte ihm zu. »Den beiden untersteht die Küche«, sagte er. »Das war schon so, als ich hier Kind war.«
»Nee, nee. De Luise. De Deern maakt allens. Wi beiden Ollen kümm nich mehr torecht, alleen. Wi püttjern blots rüm, as wi künnt.«
An Lenz angestrengtem, staunenden Gesicht erkannte Ada, dass er die alte Magd kaum verstand. »Jede Hand wird gebraucht. Euer ›Rumpüttjern‹ ist gewiss eine große Hilfe«, sagte sie.
Die Behnsche nickte mit einem Grinsen, das ihre sechs Zähne zeigte. »N’ oll Fru un’n oll Koh sin ümmer’n bäten to.«
Auch den Spruch verstand Ada. Eine alte Frau und eine alte Kuh sind immer ein bisschen dazu. Ein Seitenblick sagte ihr, dass Lenz ihn weder verstand noch wusste, wie er weiterging, denn er nickte nur gutmütig. Dann fasste er ihren Ellbogen, um sie mit sich zu ziehen.
»N’ oll Mann un’n oll Peerd sin all’ beid’ nix weert«, sagte sie leise zu ihm. Ein alter Mann und ein altes Pferd sind alle beide nichts wert.
Er funkelte sie mit zusammengezogenen Brauen an. »Nun fang du nicht auch noch an. Wer soll dieses Genuschel denn verstehen?«
»Verstehst du gar nichts? Du hast hier als Kind doch sprechen gelernt.«
Unwillig schüttelte er den Kopf. »Doch nicht von der Köchin. Irgendwas mit alten Leuten und Vieh habt ihr gesagt. Wiederhol es mir auf Italienisch, dann übersetze ich es dir.«
Energisch zog er sie mit sich auf die Stufen eines Alkovens. Von dort hielt er den Leuten eine kurze Ansprache, stellte Ada vor, verlor ein paar Worte über die neuen Besitzverhältnisse und kündigte die Bestattung seines Vaters für den nächsten Tag an. Er sagte genug, um die schlimmsten Befürchtungen seiner Zuhörer zu beschwichtigen, aber nichts Genaues über seine Zukunftspläne. Im Anschluss entließ er das Gesinde aus dem
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