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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Sie für uns nicht mehr erreichbar gewesen. Der schwedische Schaffner war
vom BND gekauft. Allerdings hat das MfS die Summe überboten. Er ließ Sie also
nicht durch. Er übergab Sie direkt der PKE.«
    »Wo war mein Vater?«
    »Im Kurswagen.«
    »Wie kam er da rein? Hatte er ein Visum?«
    »Ich dachte, das wüssten Sie. Er war Bundesbürger mit ganz besonderen
Aufgaben.«
    Es war so still, dass Judith das Verglühen des Tabaks in Merzigs Pfeife
hören konnte. Vielleicht lag es daran, dass die letzten Worte in ihrem Kopf
gedröhnt hatten wie Hammerschläge.
    »Er war ...«, sagte sie tonlos. Sie starrte Kaiserley an. »Bundesbürger
mit besonderen Aufgaben? Was heißt das denn?«
    Kaiserley wich ihrem Blick aus. Dafür antwortete Merzig.
    »Richard Lindner war neben Saphir einer der besten Romeos, die wir
hatten.«
     
    *
     
    Kellermann stand auf der Terrasse seines Bungalows und betrachtete
liebevoll die beiden Rosenbüsche, die er beim Einzug gemeinsam mit Eva hinter
dem Haus gepflanzt hatte. Gerade mal vier, fünf Triebe hatten sie gehabt, und
klein waren sie gewesen. Nun rankten sich die Zweige entlang der Terrassentür
hoch und trafen sich schon beinahe in der Mitte. Im nächsten Jahr ist es so
weit, hatte Eva gesagt, ganz bestimmt. Dann wird aus zweien eins.
    Es war ein heißer Sommer gewesen, damals, genauso einer wie in diesem
Jahr. Sie hatte sich das braune Haar aus dem Gesicht gestrichen und dabei eine
breite Spur von Dreck und Erde auf ihren Wangen hinterlassen. Kellermann hatte
sie liebevoll weggewischt, sie in den Arm genommen und sein Haus betrachtet.
Seine Burg. Seine Festung. Die hohen Mauern, die um das Grundstück gezogen
waren. Die Alarmanlage. Die beiden Hunde, die auf dem Rasen tollten und so
tollpatschig aussahen, die sich aber auf ein Wort von ihm in reißende Bestien
verwandelten.
    Er hatte sich sicher gefühlt. Er hatte alles getan, um der Welt den
Zutritt zu verweigern. Er hatte sogar seine Seele verkauft. Doch zwanzig Jahre
später fühlte er sich wie der betrogene Faust, der feststellen musste, dass er
in dem Handel den Kürzeren gezogen hatte.
    Er wandte sich ab und ging durch die Terrassentür ins Wohnzimmer. Die
Abende wurden frisch, eine willkommene Abwechslung nach diesen endlosen,
hitzedurchglühten Sommerwochen. Das leise Wispern und Gurgeln der
Sprinkleranlage drang in sein Ohr. Punkt sieben. Er würde sich einen Whiskey
genehmigen und hoffen, dass er schon schlief, wenn Eva nach Hause käme. Mit
Bedauern registrierte er, dass sich nach der Vergangenheit noch ein zweiter
Feind in sein Leben geschlichen hatte - die Gewohnheit, die dem trägen Fluss
des Lebens an den schroffen Ufern seine Kanten nahm, sie abschliff, glatt und
glänzend, und die Gefühlswelt der Ehe in etwas verwandelte, das am ehesten
noch Dankbarkeit glich.
    Sein Telefon klingelte. Es war Teetee, und er überlegte einen Moment, ob
er den späten Anruf entgegennehmen sollte. Er war des Jagens müde.
    »Ja?«, sagte er schließlich.
    »Haben Sie meine Mail nicht bekommen?«
    Teetee klang gehetzt, atemlos.
    »Welche Mail?«
    »Ich habe Ihnen heute Nachmittag eine Nachricht geschickt. Mit Anhang.«
    »Moment.«
    Kellermann checkte seinen Posteingang. »Ich habe keine bekommen.«
    »Das kann nicht sein. 16.42 Uhr.«
    »Ich rufe zurück.«
    Er legte auf und durchsuchte seinen Ordner. Nichts. Ein unangenehmes
Gefühl beschlich ihn. Er öffnete den elektronischen Papierkorb und fand die
Mail. Jemand hatte sie gelesen und anschließend gelöscht. Der Anhang war noch
intakt. Kellermann stellte beides wieder her, überflog die Nachricht und wusste
nicht, was ihn mehr beunruhigte: ihr Inhalt oder die Frage, wie diese Mail im
Trash landen konnte. Er wählte Evas Nummer, aber sie meldete sich nicht. Als
ihre Mailbox ansprang, legte er auf.
    Teetee hatte Kaiserley getrackt. Er hatte den Aufenthaltsort dieses Verrückten
herausgefunden und dabei die Büchse der Pandora geöffnet. Kaiserley war bei
Merzig. Und was das bedeutete ... sein Puls jagte, seine Gedanken überschlugen
sich. Dinge gerieten in Bewegung, die für alle Zeit festgefroren sein sollten.
    Kellermann ging zu seinem Barwagen und goss sich einen Doppelten ein. Er
trank einen großen Schluck und betrachtete dann das Handy in seiner Hand, als
wüsste er nicht, ob er es nicht gleich an die Wand schleudern sollte. Wo war
Eva?
    »Ich
treffe mich mit einer Freundin im Bayerischen Hof. Warte nicht auf mich. Es
kann spät werden.«
    Die SMS war um 16.44 Uhr bei ihm

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