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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Ich
möchte aus naheliegenden Gründen nicht ins Detail gehen, aber einer
Mitarbeiterin unserer Abteilung ist es offenbar gelungen, im Laufe eines
längeren Zeitraumes und angetrieben von einer unvorstellbaren kriminellen
Energie, diese Kopien außer Haus zu schaffen und sie über einen Mittelsmann den
westlichen Geheimdiensten, allen voran der CIA und dem BND, anzubieten.«
    »Das ist unmöglich!«, entfuhr es Merzig.
    Die anderen zischelten und tuschelten.
    »Wir sprechen nicht von dem Gesamtumfang unserer Auslandskontakte. Nein.
Jemand hat beim Verfilmen nur die Karteikarten herausgesucht, die tatsächlich
einem Agenten zugeordnet werden können. Das sind nach heutigem Stand
dreitausendsiebenhundertzweiundachtzig Kundschafter des Friedens, die dem Feind
ans Messer geliefert werden.«
    Das Raunen wurde lauter. Merzig hörte das Blut in seinen Ohren rauschen.
Eine Mitarbeiterin der Abteilung XII... er sah zu Fröde. Das Ausmaß dieses
Hochverrats war unvorstellbar. Der Mann brauchte ein Glas Wasser oder einen
Arzt. Es fehlte nicht viel, und er würde vom Stuhl kippen.
    »Im Gegenzug stellt die Bundesrepublik den Verrätern drei Pässe aus und
schleust sie mit Hilfe der CIA außer Landes.«
    »Drei?«, flüsterte Merzig und rang nach Luft. Auch die anderen sahen sich
ratlos an.
    »Kauperth?«
    Merzig zuckte zusammen. Warum sprach der Minister den Stellvertreter an
und nicht ihn? Kauperth räusperte sich. Sein Adamsapfel hüpfte vor Aufregung,
aber seine Stimme klang fest.
    »Mir ist der Fall auch erst seit heute Morgen bekannt. Aber ich konnte
mittlerweile die zuständigen Mitarbeiter in Schwerin erreichen. Der Plan der
Verräter ist so einfach wie perfide. Und da sie sich im gleichen Zug befinden
werden wie die Spitzel des Klassenfeindes, ist ein Zugriff...«
    Merzig konnte sehen, wie Kauperths Lippen sich bewegten, aber er hörte
nichts mehr. Sein Blick wanderte über die Gesichter der Männer, die aufmerksam
und ernst den Ausführungen Kauperths zuhörten. Er blieb an Wildgruber hängen,
der einen Anflug von Triumph nur schwer verbergen konnte. Und schließlich, zu
seiner Linken, an Kauperth, seinem Mitarbeiter, der redete und redete und
redete, wie er ihn noch nie hatte reden sehen. Mit leuchtenden Augen und nur
mit Mühe gezügeltem Übereifer.
    »Warum verhaften Sie sie nicht gleich?«, bellte der Dicke.
    Kauperth stockte. Der Einwurf des Ministers brachte ihn nur für eine
Sekunde aus dem Gleichgewicht.
    »Weil wir dann nie erfahren, wo sich die Kopien befinden. Und die dürfen
auf keinen Fall das Land verlassen.«
    Der Minister zog die Stirn in Falten. Merzig ahnte, was er dachte.
Wasserfolter und Isolation, dazu ein Freibrief für jede Art von Verhörmethoden
- vor zwanzig Jahren war das eine Selbstverständlichkeit. Aber die Zeiten
hatten sich geändert.
    Heute musste man subtiler vorgehen. Heute konnte man DDR-Kritiker nicht
mehr auf brandenburgischen Parkplätzen erdrosseln. Heute entführte, erschoss,
ermordete man die Feinde nicht mehr. Man hatte andere Methoden, um mit diesen
Leuten fertig zu werden. Ob sie aber effektiver waren, darüber stritten die
alte und die junge Garde. Merzig stand irgendwo dazwischen. Er hatte sich nie
mit den brutalen Methoden anfreunden können.
    »Wir sollten warten, bis die Spitzel sich zu erkennen geben«, fuhr
Kauperth fort. »Sie sind im selben Zug. Wenn wir zu früh zugreifen, haben wir
nur die Verräter. Wenn wir sie aber bei der Übergabe schnappen, gehen uns auch
die westlichen Agenten ins Netz. Das sind hochrangige Mitarbeiter von CIA und
BND, die sind eine Menge wert.«
    Der Minister zog Luft durch seine fast geschlossenen Lippen ein. Es klang
wie ein quietschender Luftballon. Er rechnete wohl schon im Geiste nach, wie
viel Westmark ein Freikauf bringen würde. Oder wie viele DDR-Bürger, die unter
dem Spionagevorwurf in westdeutschen Gefängnissen saßen, dafür per Agentenaustausch
über die Glienicker Brücke wandern durften.
    »Merzig?«
    Alle sahen ihn an.
    »Haftbefehle. Heute noch.«
    Merzig nickte. Den Wortlaut für Republikflucht und Landesverrat konnte er
fast auswendig. Täuschte er sich, oder sah der Minister ihn länger an? Nein. Er
wandte sich an Wildgruber, der ein Stückchen von Fröde abgerückt war.
    »Sie geben Generalleutnant Merzig die Namen. Verstanden?«
    Wildgrubers helle, wachsame Augen leuchteten auf.
    »Meine Herren?«
    Der Dicke erhob sich. Wie an Kaisers Tisch standen auch alle anderen auf,
warteten aber, bis der Minister als Erster

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