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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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verjährt. Die Akte Rosenholz konnte endgültig geschlossen
werden.
    Er erreichte die Innenstadt und bog in die Maximilianstraße ein.
    Ich treffe
mich mit einer Freundin im Bayerischen Hof. Kellermann passierte das Hotel. Plötzlich hielt er mit quietschenden
Bremsen. Eva hatte keine Freundin im Bayerischen Hof. Er hatte eine.
     
    Kellermann wusste Angelinas Zimmernummer auswendig und ging mit einem
leichten Nicken an der Rezeption vorbei. Einer von vielen Geschäftsreisenden,
die nach einem langen Tag nur noch schnell nach oben, unter die Dusche und ins
Bett wollten. Er stieg in den Aufzug und fuhr in den fünften Stock. In seiner
Hand hielt er die Masterkeycard von IntSec, einer Firma, die die gesamte Schließanlagentechnik
für die BND-Zentrale in Berlin baute und auch im zivilen Sektor Marktführer im
Bereich Mechatronik war. Diese Karte gab ihm die Macht über alle
HSPD-Schlösser, die mittels Keycard über Radio Frequency Identification
geöffnet werden konnten. Es gab nicht viele Karten dieser Art. Bisher hatte er
sie eher als Statussymbol gesehen. Nun aber, als der dicke Teppich seine
Schritte verschluckte und er sich vorsichtig auf dem Gang umsah, wurde sie in
seiner Hand zu einer Waffe.
    Angelina Espinoza. Er zog die Karte durch den Schlitz und atmete tief
durch. Er war erst in der letzten Woche hier gewesen, als sie sich per SMS zu
einem dieser kurzen, atemlosen Treffen verabredet hatten, die ihm nun genauso
unwirklich vorkamen wie sein Einbruch. Wenn sie da war, war das Überraschungsmoment
auf seiner Seite. Wenn nicht, würde er warten. Er würde sich in einen dieser
mitternachtsblauen, italienischen Sessel setzen und auf den Druck von
Modigliani starren, den er vom Bett aus gesehen hatte, ein Frauenakt, der ihn
in der Üppigkeit der Formen und mit dem scheu gesenkten Kopf an Eva erinnert
hatte.
    Er öffnete die Tür und betrat den Salon. Stille empfing ihn. Mit einem
Blick erkannte er, dass niemand im Raum war. Der Zimmerservice hatte die Bücher
auf dem Coffeetable arrangiert, die Couchkissen aufgeschüttelt und die Vorhänge
zurückgezogen. Seit dem Morgen hatte offenbar niemand die Suite betreten. Aber
in der Luft lag ein Hauch Jasmin. Kellermann kannte diesen Duft.
    »Angelina?«, fragte er. Keine Antwort. »Angelina? Bist du da?«
    Er schloss die Tür. Eva und Angelina hatten sich getroffen. Hatte die
Rivalin der Ehefrau alles erzählt? Oder hatte die Ehefrau die Rivalin
gestellt? Was war passiert? Es musste Eva nach Berlin getrieben haben, um nach
dem ersten Verrat wenigstens den zweiten zu verhindern.
    Sorge und Scham schnürten ihm fast das Herz ab. Er ging zum Fenster und
sah hinunter auf die Straße. Zum einen, weil er das hier noch nie getan hatte.
Zum anderen, weil es ihn interessierte, ob man sich hinunterstürzen konnte.
Rein hypothetisch natürlich. Er versuchte, das Fenster zu öffnen, aber es gelang
ihm nicht. Klimaanlage. Sicherheitsrisiko. Beides gewichtige Gründe.
    Er nahm Platz und behielt den Frauenakt und die Tür im Auge. Verfluchtes
Handy. Er war zu sorglos damit umgegangen. Hatte es zu oft liegengelassen in
dem Urvertrauen, das man dem Menschen entgegenbringt, mit dem man seit zwanzig
Jahren zusammenlebt. Er hatte irgendwann gar nicht mehr darauf geachtet,
vorsichtig zu sein. Sie musste ins Bodenlose gestürzt sein, und er hatte sie
nicht auffangen können.
    Kellermann starrte auf das Bild an der seidenbespannten Wand. Er kannte
das Original. Er hatte es einmal in einer Ausstellung gesehen, gemeinsam mit
Eva. Sie waren davor zusammen stehen geblieben, und er hatte zu ihr gesagt,
dass sie genau die gleiche Art hatte, ein Handtuch an sich zu drücken, wenn sie
aus dem Bad kam ... das Bad.
    Das Geräusch war so leise, dass er erst glaubte, er hätte sich verhört.
Ein so zartes, metallisches Klingen, ein Hauch von einem Ton, doch in der
Stille der schalldichten Fenster laut genug, um ihn zusammenzucken zu lassen.
Kellermann hielt den Atem an und lauschte. Dann zog er seine Dienstpistole und
stand auf. Die Waffe im Anschlag, schlich er sich zur Tür des Badezimmers. Er
ärgerte sich, dass er die Suite nicht durchsucht hatte. Wer auch immer jenseits
dieser Tür war, hatte ihn gehört und wusste, er war nicht allein.
    Kellermann stieß die Tür mit dem Ellenbogen auf. Weißer Marmor, tiefrotes
Blut. Ein See aus Blut, gespeist von stetig rinnendem, rotem Wasser. Eine Frau
lag darin. Ihr Arm fiel über den Rand der Wanne, und aus der Wunde an ihrem
Handgelenk tropfte es in den roten

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