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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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in tausend Splitter,
sie zerfetzten Kleider und Haut, und bevor sie von Kaiserley zu Boden geschleudert
wurde, sah sie für den Bruchteil einer Sekunde das Wasser wie eine Säule im
Raum stehen. Noch im Fallen ergoss sich eine einzige, meterhohe Welle ins
Zimmer. Kaiserley und sie prallten auf den Couchtisch, dann auf den Boden. Die
Pistole wurde ihr durch die Wucht des Aufschlags aus der Hand geschleudert und
landete außer Reichweite unter der Couch. Ein silberblauer Fisch schlug direkt
neben Judiths Gesicht auf.
     
     
    Er zappelte und schnellte wie verrückt nach oben. Kaiserley presste seine
Hand auf ihren Mund. Er war klatschnass, Wasser troff aus seinen Haaren auf
sie herab. Judiths Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie schnappte genauso
verzweifelt nach Luft wie der Fisch neben ihr.
    Dann war es still. Ein letztes Klirren, es tropfte in die Pfützen auf den
Boden. Gegenüber, keinen Meter entfernt, hinter dem Couchtisch, lag Merzig.
Blut strömte über sein Gesicht. Er zuckte. Und das Funkeln in seinen Augen war
nicht mehr der Widerschein seiner merkwürdigen Seele, sondern kam von messerscharfen
Splittern aus Glas. Sein Kopf fiel zur Seite. In der Schläfe war ein kleines,
schwarzes Loch. Sie spürte Kaiserleys Atem auf ihrem Gesicht. Langsam zog er
seine Hand weg und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Reglos blieb sie
liegen. Und dann knirschten die Scherben hinter ihnen, als jemand
darüberschritt.
     
    *
     
    Als Kellermann das graue Stahltor passiert hatte und seinen Wagen auf dem
Parkplatz ausrollen ließ, atmete er auf. Winklers BMW stand noch da. Vor ein
paar Tagen war Winkler nicht mehr als eine Art Fahrer für ihn gewesen. Doch das
Blatt hatte sich gewendet. Nur er konnte vielleicht noch etwas retten.
    Das Büro des Geheimdienstkoordinators lag hinter den Tennisplätzen. Zwei
Frauen spielten, er eilte vorbei und schenkte ihnen ein ebenso knappes wie
zerstreutes Kopfnicken. Er versuchte, sich Sätze im Kopf zurechtzulegen, aber
er kam nie über den ersten und einzigen Ansatz hinaus: Eva. Wo ist sie. Was tut
sie. Was hat sie getan. Was wird sie tun.
    Winkler schaute überrascht hoch, als Kellermann die Tür, ohne anzuklopfen,
öffnete und schnell wieder hinter sich schloss. Er las gerade ein
tonnenschweres Dossier und legte sorgfältig ein Lineal zwischen die Seiten,
bevor er es zuklappte. Kellermann steuerte den Drehstuhl vor Winklers
Schreibtisch an, ohne sich lange mit Höflichkeiten aufzuhalten.
    »Malmö«, sagte er.
    Winkler runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Meine Frau soll angeblich dort gewesen sein. Kannst du mir erklären,
warum?«
    Winkler versuchte ein höfliches Lächeln. »So gut kenne ich Eva nun
wirklich nicht. Habt ihr Probleme?«
    Hinter Winkler hing das Porträt des Bundespräsidenten. Er war mehrere
Jahre jünger als Kellermann. Alle wurden jünger. Nur er nicht. Er wurde alt und
müde. Vielleicht war es wirklich an der Zeit abzutreten.
     
    »Ich habe Kaiserley konspirativ überwachen lassen. Ihn und Kepler. Nach
dem Mord an Christina Borg schien das für mich die einzige Möglichkeit, doch
noch etwas über den Verbleib der Rosenholz-Dateien zu erfahren.«
    »Rosenholz ...« Winkler lehnte sich zurück und sah Kellermann
nachdenklich an. »Vor ein paar Wochen erst haben wir die Kontaktaufnahme zu
dieser Person aus Schweden abgelehnt. Erinnerst du dich?«
    »Man hat uns die Filme auf dem Silbertablett angeboten!«
    »Für zweihundertfünfzigtausend Euro. Nein, mein Lieber. Das ist dem
Steuerzahler nicht mehr zu vermitteln.«
    Kellermann verfluchte diese Erbsenzählerei. Er hätte nur einen Namen
löschen müssen. Einen einzigen Namen.
    »Seit wann erfährt der Steuerzahler, für was sein Geld verwendet wird?«
    Winkler wies auf das Dossier. »Fünfhundert Seiten. Vierhundertdreißig
Millionen Jahresetat. Und ich muss morgen jede einzelne Position vor dem
parlamentarischen Kontrollgremium erklären können. Umzug. Personal.
Heizkosten. Und dann die Posten, die offiziell nie auftauchen dürfen.
Aufklärung für die Bundeswehr im Ausland. Faxgeräte und Computer für den Keller
der französischen Botschaft in Bagdad. Verbindungsaufnahme zur ICO im Kosovo.
Anwerbung von Strohmännern für die internationalen Residenturen. Schmiergeld
für Informationen über ABC-Waffen, Terrorismus und Geldwäsche. Eine Viertelmillion
für Rosenholz? Rosenholz ist gestern. Das hier ist morgen.«
    »Wir haben uns eine einmalige Chance entgehen lassen.«
    »Wir?« Winkler musterte

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