Herrmann, Elisabeth
Schweine gibt es
überall. Rosenholz, die ersten Generationen ... das sind doch fast schon
Legenden. Und dass ihr immer uns den Schwarzen Peter zuschiebt...« Sie biss ihm
zärtlich ins Ohrläppchen. »Ihr seid doch so gerne die Nummer eins. Wenn es sie
gibt, warum habt ihr sie nicht längst gefunden?«
Teetee
warf ihr einen erstaunten Blick zu. Die Beziehungen zwischen den beiden
Geheimdiensten waren eng, über weite Strecken hinweg fast schon brüderlich.
Wobei nie ein Zweifel daran bestanden hatte, wer der große und wer der kleine
Bruder war. In den Neunzigern waren die Verflechtungen so eng gewesen, dass es
gemeinsame Aktionen von deutschen und amerikanischen Agenten gegeben hatte, von
denen sogar Pullach erst hinterher erfuhr. Aber das war lange her. Vor Teetees
Zeit. Manchmal erzählte Kellermann davon, in seinem Büro nach Dienstschluss. Es
waren Geschichten, wie sie sich Cowboys im Wilden Westen an den Lagerfeuern
erzählten oder Veteranen beim D-Day-Treffen. Ab und zu kam Kaiserley in ihnen
vor. Kellermanns Augen leuchteten dann, bis ihm wieder einfiel, was aus seinem
großen Helden geworden war: ein tingelnder Tagelöhner, der unablässig Lügen
und Halbwahrheiten über den BND verbreitete.
»Wenn ihr
sie nicht habt...«, sagte Teetee und ließ das Ende des Satzes bewusst in der
Luft hängen.
»Stasi-Klarnamen?«
Angelina stand auf und ging in das Badezimmer, in dem bequem Teetees Neurieder
Ein-Zimmer-Apartment Platz gefunden hätte. Sie sprach weiter, während sie sich
in einen weichen, voluminösen Frotteemantel wickelte und Wasser in die Wanne
laufen ließ.
»Wir haben
wirklich andere Sorgen. Ich glaube nicht, dass diese Original-Dateien noch
existieren. Was davon überhaupt noch im Umlauf ist, sind Fälschungen. So was
taucht immer wieder auf. Angebliche Kopien der MfS-Karteikarten kursierten
bereits Mitte der Achtziger auf dem Markt. Sie wurden mehreren Zeitungen
angeboten. Aber keine hatte damals den Mut zuzugreifen. Warum also jetzt diese
Aufregung?«
Sie kehrte
ins Schlafzimmer zurück. »Was ist so wichtig an diesen uralten Namenslisten?«
Teetee
zuckte mit den Schultern. »Ich bin nur der Messtechniker. Mich darfst du das
nicht fragen.«
Sie löste
den Gürtel des Bademantels und kam auf ihn zu. »Wen dann? Killerman?«
Sie setzte
sich auf seinen Schoß, und augenblicklich spürte Teetee seine Bereitschaft, die
transatlantischen Gespräche weiter zu vertiefen. Es gelang ihm, an Angelina
vorbei den Monitor auszuschalten. Sie schnurrte wie ein Kätzchen.
»Mach mir
nichts vor. Ihr sucht einen Bastard.«
Sie küsste
ihn. »Dann müsst ihr ihm eine Falle stellen.«
Sie küsste
ihn wieder. »Also legt einen Köder aus.«
Sie küsste
ihn noch einmal. Teetees Handy klingelte. Er brauchte einen Moment, bis er es
gefunden hatte. Es lag unter dem Bett, und er fragte sich, wie es dahin
gekommen war. Dann fiel ihm die gepflegte Verwüstung um sie herum auf, und er
wunderte sich nicht mehr, sondern grinste nur. Anrufer unbekannt. Die Zentrale
musste ihn durchgestellt haben, denn seine Nummer war geheim.
Mit einem
mulmigen Gefühl, das ihn immer beschlich, wenn ihn jemand um diese Uhrzeit
anrief, nahm er ab.
»Ja?«
»Alles in
Ordnung?«
Teetee
erkannte die raue, auf kumpelhaft gefilterte Stimme seines Chefs. »Alles
bestens.«
»Hör zu,
ich weiß, es ist spät. Aber du musst mir noch einen Gefallen tun.«
Das klang
nicht gut. Wenn Kellermann duzte, drohte Stress. Teetee warf einen Blick auf
Angelina, die gerade eine Champagnerflasche aus der Minibar holte. Sie spürte,
dass sich etwas veränderte, denn Teetee setzte sich auf und hörte konzentriert
zu. Schließlich nickte er.
»Wird
gemacht.«
Er legte
auf und stieg aus dem Bett. Angelina hob die Flasche und sah ihn fragend an.
»Was ist damit?«
»Ich bin
in einer Stunde wieder da. Ich muss noch was erledigen.«
»Dienstlich
oder privat?«
Teetee zog
die Hose an und grinste. »Dienstlich. Der Jäger überprüft die Fallen.«
*
Dombrowksi,
Klaus. Ende fünfzig, von Statur, Stimme und Benehmen immer noch der
Möbelpacker, als der er vor über dreißig Jahren einmal angefangen hatte.
Mittlerweile war er Unternehmer und Herr über 350 mehr oder weniger legale
Mitarbeiter. Sein Imperium umfasste 14 Umzugs-LKW mit Team, 31 Räum- und
Streufahrzeuge, 23 Kolonnen Gebäudereiniger und zahllose ihm ergebene
Tagelöhner, die er immer noch bei Bedarf persönlich morgens um fünf aus der
Schlange vor der Arbeitsagentur am Nordhafen
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