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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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disqualifizieren würde.
    »Das«,
sagte sie, »ist der Unterschied zwischen Bundesbeamtentarif und zehntausend
Dollar. Wir haben zwanzig Minuten.«
    Sie küsste
ihn. Adrenalin schoss in Teetees Blutbahnen. Es war wie in Langley. Heiß,
schnell und beinahe ehrlich. Er fragte sich, ob er damals schon in ihrem
Personaldossier erwähnt hatte, wie schnell sie zur Sache kam. Dann war die Zeit
fürs Denken abgelaufen.

 
    Quirin
Kaiserley warf einen unauffälligen Blick auf die Armbanduhr seines Nachbarn
zur Rechten, einem Fraktionsvize des Brandenburger Landtages. Noch fünfzehn
Minuten bis zum Ende der Aufzeichnung. Gerade referierte der Mann, warum es aus
seiner Sicht kein Problem sei, eine Landesregierung weiter arbeiten zu lassen,
obwohl mindestens ein Viertel der Abgeordneten der Linken, darunter der
Fraktionschef und der Parteivorsitzende, Kontakte zur Staatssicherheit der DDR
unterhalten hatten. Juliane ließ ihn gar nicht richtig ausreden.
    »In
anderen Bundesländern werden Stasi-IMs aus dem Landtag ausgeschlossen.
Thüringen erklärt sie sogar für >parlaments-unwürdig<. Im Westen der
Republik kennt man das Problem nicht. Doch es existiert. Denn die alte
Bundesrepublik war keine Stasi-freie Zone.«
    Über
Lautsprecher und Monitor wurde eine MAZ eingespielt. Julianes Stimme kam aus
dem Off.
    »Sicher
ist, dass das MfS auch eine hohe Zahl an Bundesbürgern rekrutiert hatte. Ihre
Namen findet man in der sogenannten Rosenholz-Datei.«
    Quirin
zuckte kaum merklich zusammen. Er suchte Julianes Blick. Sie sah hinunter auf
ihre Moderationskarten und sortierte sie, während das Stück über die
Bildschirme lief.
    Der
Beitrag erläuterte, was Rosenholz eigentlich war: der Name einer
Geheimdienstaktion 1993. Verfassungsschutzbeamte flogen nach Washington und
bekamen von der CIA die Chance, ausgewählte Mikrofilmdateien aus den Archiven
des MfS anzusehen. Erst lange, zähe Verhandlungen hatten die Rückgabe dieser
Dateien an die Bundesregierung und die Stasi-Unterlagenbehörde zur Folge -
natürlich erst, nachdem die amerikanischen Freunde ihre Auswertung beendet
hatten. Riesige Lücken klafften in den Namenslisten. Entweder weil auch CIA-Agenten
für die Stasi gearbeitet hatten oder die Amerikaner bestimmte Quellen schützen
wollten.
    Rosenholz
war ein abgenagter Knochen.
    Der Film
erzählte nicht, wie die Dateien nach Virginia gekommen waren. Er verschwieg,
dass sie wochenlang in einer Kleingartenkolonie an der B1 versteckt gewesen waren, bevor sie das Land verlassen
hatten. In Mahlsdorf war das gewesen, kurz vor der Stadtgrenze. Quirin hatte
einen Tipp bekommen und sofort die Kollegen in Pullach informiert.
    Es hieß,
ein General des MfS und ein Offizier des KGB hätten das Material im Keller
einer Datsche versteckt. Doch der BND holte es sich nicht. Warum man sich diese
einmalige, historische Chance hatte entgehen lassen - auch das war eine der
bohrenden Fragen gewesen, auf die Quirin nie eine Antwort erhalten hatte. Wer
wurde geschützt? Wer schützte sich selbst? Und wer saß so weit oben, dass er
dieses Versteck vor den eigenen Leuten geheim halten konnte?
    Julianes
schönes Gesicht erschien wieder im On. Sie sah an Quirin vorbei direkt in die
Kamera, bevor sie sich an ihn wandte.
    »Mehr als
dreitausend Bundesbürger könnten Stasi-Spione gewesen sein. Hat die
Rosenholz-Datei sie wirklich alle enttarnt? Quirin Kaiserley, Sie sind
ehemaliger Agent des Bundesnachrichtendienstes und in dieser Hinsicht mehr als
skeptisch.«
    Quirin sah
sich auf den Monitoren. Er war zu überrascht, um sofort zu antworten.
    »Sie
sagen, Rosenholz sei nur eine unvollständige Momentaufnahme. Ist das richtig?«
    Er
räusperte sich. »Ja.«
    »Warum
unvollständig?«
    »Als die Karteien
nach schwierigen Verhandlungen endlich von der CIA zurückgegeben wurden, fehlte
ein Teil.«
    »Welcher?«
    »Unter
anderem das gesamte Buchstabenregister La bis Li.«
    »Die Datei
wurde also manipuliert? Von der CIA, dem KGB oder dem MfS?«
    Sie wollte
ihn in die Enge treiben. Wollte eine öffentliche Hinrichtung. Und er legte
auch noch freiwillig den Kopf auf den Richtblock.
    »Ich kann
nur so viel sagen, dass längst nicht alle ehemaligen Auslandsagenten des MfS
enttarnt worden sind. Es gibt sie noch. Sie sitzen in hohen und einflussreichen
Positionen dieses Landes. Nicht nur dieses Landes. Sie sind erpressbar. Sie
haben sich ihrer Familie nie offenbart. Sie müssen um ihr Ansehen in Politik
und Wirtschaft fürchten. Sie haben also das größte

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