Herrmann, Elisabeth
Interesse daran, einen
Schlussstrich unter die Debatte zu ziehen.« Im Saal kam leichte Unruhe auf.
Aber das
werde ich nicht zulassen, setzte Quirin den Satz in Gedanken
fort. Sie haben es schon in Sassnitz versucht. Eine ganze Familie wurde
ausgelöscht. Man hatte sie mir anvertraut, und ich habe versagt. Und alle
Versuche, den Maulwurf zu finden, sind gescheitert. Vielleicht bin ich längst
der Einzige, der das nicht vergessen kann.
Irgendwo
da draußen existierte eine vollständige Mikrofilmdatei. Das Original. Hier auf
dem Tisch hätte es nun liegen sollen, vor den Augen von Millionen Zuschauern.
Und er hätte endlich gewusst, wer sie alle verraten hatte. Hätte endlich dieses
Kapitel seines Lebens abschließen können.
Stattdessen
stand er wieder mit leeren Händen da. In den Rängen wisperte das Publikum.
»Herr
Kaiserley?«
Quirin
schreckte hoch.
»Gibt es
Beweise für diese Annahme?«
Das Raunen
verstummte. Julianes Blick war wie ein Dolch. Er atmete tief durch.
»Ja«,
antwortete er. Alle sollten es hören. Vor allem derjenige, der sich
fünfundzwanzig Höllenjahre lang sicher gefühlt hatte. »Ja. Es gibt Beweise. Ich
habe die Dateien gesehen.«
»Und wo
sind sie jetzt?«
Alle
starrten ihn an. Aus dem Monitor starrte Quirin sich mit seinen eigenen Augen
an.
»Herr
Kaiserley, wann haben Sie sie gesehen? Unter welchen Umständen? Haben Sie
Beweise?«
»Nein«,
antwortete er. »Noch nicht. Aber ich werde sie finden.«
Angelina
lag nackt auf der Samtdecke des riesigen Bettes. Teetee hatte die Ausrüstung
im Schlafzimmer angeschlossen, damit sie die Aufzeichnung aus der Horizontalen
mitverfolgen konnten. Die CIA-Agentin hatte die ganze Zeit auf den Bildschirm
gestarrt und wies Teetee an, die letzten dreißig Sekunden noch einmal zu
zeigen. »Split screen.«
Das Bild
des Monitors teilte sich. Links liefen die Bilder der AMC-Kameras, rechts
zeigte er das, was die CCCam einfing. Angelina setzte die Kopfhörer wieder
auf, Teetee machte es ihr nach.
»Gib mir
Kellermann.«
Teetee
ließ die Kamera über die Zuschauerreihen schwenken und bei einem Mann in der vorletzten
Reihe innehalten. Er zoomte ihn etwas näher heran. Kellermann saß
zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, in der typischen Pose eines
zum Zuhören verdammten Büttenredners. Er war Anfang sechzig, ein kräftiger,
auf hemdsärmelige Art gutaussehender Mann mit großer Nase und zerknautschten
Gesichtszügen. Seine kurzgeschorenen Haare und die bullige Statur ließen ihn
wie einen Ringer im Maßanzug wirken. Dabei war er einer der höchsten
Abteilungsleiter des BND - und liebte es, wenn seine Gegner ihn unterschätzten.
Gerade lief die Abmoderation, unter den Zuschauern links und rechts von ihm
machte sich Aufbruchstimmung breit.
»Kellermann?«
Sie sprach
seinen Namen amerikanisch aus, Killerman, und wenn
es Teetees Boss erfreute, so ließ er sich das höchstens durch ein minimales
Lächeln anmerken.
»Er sagt
die Wahrheit.«
Kellermann
gab das Freizeichen: Er klickte auf die Mine seines Kugelschreibers und steckte
ihn sich in die linke Jackentasche. »Gib mir die anderen Positionen.«
Die CCCam
schwenkte auf die Produktionsassistentin, die in diesem Moment an ihr Ohr
griff, aufmerksam lauschte, ihren Standort am Fuß der Treppe verließ und
Richtung Ausgang strebte. Dann schwenkte sie auf die vier anderen Plätze, alle
in der ersten Reihe. Die Männer, die dort gesessen hatten, waren schon
aufgestanden und unauffällig in der Masse der Hinausströmenden verschwunden.
Die linke
Hälfte des Monitors wurde schwarz. Die Aufzeichnung war beendet. Teetee
dirigierte die CCCam mit dem Joystick auf Kaiserley. Er versuchte gerade, die
Verdrahtung seines Mikrophons loszuwerden, ohne sich das Hemd vom Leib reißen
zu müssen.
»Ihr
hättet ihn gleich abgeführt, stimmt's?«
Teetee
stieß einen Seufzer aus. »Keine Ahnung.«
Angelina
lachte leise. »Mach mir nichts vor. Ich habe einen vom Verfassungsschutz und
zwei vom BKA erkannt. Dazu die Köter von der Presse. Es wäre ja nicht das erste
Mal, dass euch dieser Typ ans Bein ... pisst?«
»Pinkelt«,
verbesserte Teetee ihre Kenntnisse in deutscher Umgangssprache. Es ärgerte ihn,
dass Kaiserley davonkam und ungestraft immer weiter seine Lügen verbreiten
durfte. Der Mann trat alles mit Füßen, was der Dienst sicher auch einmal ihm
bedeutet hatte. Er war ein Vorbild gewesen. Sein Vorbild. Und jetzt...
Angelina
strich ihm sanft durchs Haar. »Mach dir nichts draus. Solche
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