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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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hatte er nicht gewusst, wer ihn oben an der Tür
erwartete. Seine Aufgabe bestand darin, die Live-Bilder der CCCam aus
Adlershof im Hotel de Rome aufzuzeichnen, eine Standleitung zu Kellermann
aufzubauen und sie wenn möglich für die Dauer der Aktion nicht zusammenbrechen
zu lassen. Und natürlich der Spezialistin der Agency, die für diesen besonderen
Auftrag angefordert und vom BND über einen Beratervertrag bezahlt wurde, jeden
Wunsch von den Lippen abzulesen. Als Angelina ihm öffnete, war er
augenblicklich bereit, seine Pflicht mit Freuden und gerne auch besonderem
Körpereinsatz auszuführen.
    Sie nicht.
Sie dachte an nichts anderes als ihren Auftrag. Sie griff nach einem Glas
Mineralwasser, trank, und Teetee starrte auf den schwachen Abdruck ihres
Lippenstiftes, den ihr Mund auf dem Rand hinterließ. Wahrscheinlich war das
alles, was sie an Körpereinsatz zu geben bereit war. Sie wirkte konzentriert
und hochprofessionell.
    »Noch mal
zurück auf ihn und die Kleine.«
    Er bewegte
den Joystick und hielt die Aufzeichnung am Beginn des Gesprächs an. Die CCCam
verfügte über ein ausgezeichnetes Richtmikrophon, er musste sich noch nicht
einmal in das Funksignal von Quirins Mikrophon einhacken.
    »Möchten
Sie später Mineralwasser mit oder ohne Gas?«
    »Mit.«
    Angelina
nickte. »Weiter.«
    »Blöde
Frage, aber haben Sie draußen einen Parkschein gezogen?«
    Sie kniff
die Augen zusammen und beobachtete Quirins Reaktion. Dann ließ sie sich die
Stelle mehrmals in Slow Motion zeigen. Mit einer knappen Handbewegung gab sie
Teetee schließlich zu verstehen, dass er die Aufnahme weiterlaufen lassen
konnte.
    »Gibt es
diese alten Waffenlager der Russen eigentlich noch?«
    »Nein.«
    Angelina
lächelte und sah Teetee an. »Er lügt. Niemand hat sich darum gekümmert, diese
Löcher endlich auszuheben. Wer ist das Mädchen? Sie macht das gut.«
    »Keine
Ahnung.«
    Teetee war
froh, dass Angelina in puncto Lügen gerade andere im Visier hatte. Die Kleine
war noch neu im operativen Geschäft und gehörte zu der exklusiven Gruppe von
Kellermanns Lieblingen, zu der auch Teetee sich je nach Laune des Chefs zählen
durfte. Doch bei aller kollegialen Verbundenheit und so nah und fast schon
vertraut, wie sie hier nebeneinandersaßen, wenn es um Dritte ging, durfte er
nicht vergessen, Angelina arbeitete für die Konkurrenz. Und an einem Abend wie
diesem sogar auf eigene Rechnung.
    Das war
inzwischen keine Seltenheit mehr. Agenten der CIA bildeten angeblich sogar
Broker an der Wall Street aus - in Taktik und Tarnung, angeboten über
sogenannte Research and Advisory Firms. Sie
brachten ihren Kunden die Kunst des Täuschens ebenso bei wie das Durchschauen
von Lügen. Agenten waren bei Goldman Sachs oder SAC Capital Advisors ein und
aus gegangen - und hatten hohe Beraterhonorare kassiert. Was in den USA eine
absolut gängige Praxis war, nämlich staatliche Spezialisten für private Zwecke
anzuheuern, war für brave deutsche Beamte undenkbar. Teetee wollte gar nicht
erst wissen, was nach diesem Job auf Angelinas Privatkonto landete. Die Suite
lief mit Sicherheit unter Spesen.
    Er zoomte
das Gesicht des Renegaten noch näher heran. So sah Kaiserley also aus, wenn er
log. Der Verräter. Der Nestbeschmutzer. Eine geschlagene Viertelstunde beschäftigte
Angelina sich Frame für Frame mit der Mimik des Exagenten. Teetee folgte ihren
Anweisungen, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Schließlich lehnte sie
sich zurück in die ausladenden Polster und schloss die Augen.
    »Er
zwinkert. Er blinzelt nicht.«
    Teetee
schob das Rack zur Seite, um seine Füße auf die Couchtischkante zu legen und
es sich auch etwas bequem zu machen. »Und wo ist da der Unterschied?«
    »Blinzeln
ist etwas, das du nicht steuern kannst. Zwinkern schon. Außerdem ...«
    Zu Teetees
großem Bedauern richtete sie sich wieder auf.
    »Die
Pupillen ziehen sich zusammen. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Und dann
hat er noch eine Eigenart, die sehr selten ist. Er ...«
    Sie zog
ihre entzückende puertoricanische, nicaraguanische, mexikanische - wer wusste
das schon und wozu sollte man das auch wissen? - Nase kraus.
    »Was?«
    Angelina
legte den Kopf auf die linke Schulter. Die Haare glitten wie ein glänzender
Vorhang vor ihr Gesicht. Sie beugte sich vor, und Teetee musste sich
beherrschen, seine Augen nicht hinunterwandern zu lassen, dorthin, wo der
Ausschnitt ihrer Bluse eventuell etwas erkennen lassen könnte, das ihn
endgültig für ein vernünftiges Arbeiten

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