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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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Watte, hatte er geglaubt, den Tod zu fühlen. Noch hörte er die brütenden Möwen am Ufer, aber was, wenn sie aufgeflogen waren? Er schwamm zurück, und als er doppelt so lange geschwommen war, wie er seiner Meinung nach zum Strand hätte brauchen dürfen, hörte er die Schreie der Möwen hinter sich. Entsetzt änderte er abermals seine Richtung. Sein Körper kühlte aus, die Muskeln erlahmten, und ihm fiel ein, dass es das Klügste wäre, auf der Stelle zu bleiben und zu warten, bis die Sonne den Nebel auflöste, um mit letzter, verbliebener Kraft den Rückweg antreten zu können. Aber in seiner Panik fühlte er sich dazu nicht imstande. Immer weiter schwamm er in der einmal eingeschlagenen Richtung fort, und als er sich schon verloren glaubte, hob sich der Nebel, und er sah, dass er die ganze Zeit parallel zum kaum einen Steinwurf entfernten Ufer geschwommen war.
    Jetzt, in einer Schlammgrube in der Tiefe des Berges, begraben unter kilometerdickem Fels, schien ihm diese Erinnerung eine der heitersten seines Lebens. Er wünschte sich, noch einmal im großen Meer zu sterben, unter dem gelben Licht des gleichgültigen Himmels, von klarem Salzwasser verschluckt. Gischt spritzte ihm ins Gesicht, Telegraphenmasten huschten vorbei, beide Hände umklammerten das Steuer.
    Ein Sandstrahlgebläse war auf seine Windschutzscheibe gerichtet. Er wickelte sich ein Stück Tuch um den Kopf und öffnete die Tür. Eine Eimerladung Sand flog in den Wagen, er schloss die Tür wieder.
    Immer wieder kam er zur Besinnung, und dann sah er die Schatten am Ufer. Er dachte eine Weile ernsthaft darüber nach, woran man erkennen könne, ob man schon tot sei, und bemerkte, dass ein Mann neben ihm saß.
    «Heiß hier», sagte er, und Carl, der keine Lust hatte, sich mit Geistern zu unterhalten, schwieg. Er betrachtete ein grünes Haus auf der anderen Straßenseite, auf dem eine grüne Fahne wehte.
    «Heiß hier», wiederholte der andere.
    «Ja», sagte Carl missmutig, tauchte unter und schlug mit dem Kopf gegen die Eisenstange. Es tat fast nicht mehr weh.
    «Was ist los?»
    «Was?»
    «Wie Sie heißen!»
    «Wie?»
    Ängstlich schaute Carl sich um. Aber es war niemand da, nur ein kleines Mädchen, das einen Minztee vor ihm auf den Tisch stellte. Er verbrannte sich fast den Mund. Mit der Hand wedelte er über dem heißen Tee hin und her und fragte dann: «Wie heißen Sie?»
    «Sie zuerst», sagte der Geist.
    «Sie haben angefangen.»
    «Was?»
    «Sie haben doch angefangen.»
    «Na schön», sagte der Geist und ahmte Carls Handbewegung nach. « Herrlichkoffer.»
    «Was?»
    «Herrlichkoffer. Nicht so laut. Oder Lundgren. Für Sie Herrlichkoffer.»
    «Für mich Herrlichkoffer.»
    «Ja! Und jetzt schreiben Sie Ihren Namen hier – hier – hier.»
    Der Geist schob einen Notizblock über den Tisch. War das ein Experiment? Oder wollten sie jetzt wirklich seinen Namen wissen? Er fing an zu schreiben, aber noch bevor er sieben Druckbuchstaben gemalt hatte, war der andere schon aufgesprungen und lief die Straße hinunter. «Ihr Notizblock», rief Carl dem Verrückten hinterher, aber der hörte ihn nicht. Und er hatte nicht nur Block und Kugelschreiber vergessen, er hatte auch seinen Tee nicht bezahlt. Das Mädchen fragte Carl, ob er dafür aufkäme.
    Er legte Geld auf den Tisch, sie strich die Münzen von der Tischplatte in ihre kleine, schmutzige Hand, und am Ende der Straße bremste ein Chevrolet, aus dem vier Männer in weißen Dschellabahs stiegen. Zufällig sah er sie … und das nächste Bild war: Er rannte. Rannte vor den Männern davon zu seinem Auto, sah, dass der Mercedes zugeparkt war, erblickte eine weiße Dschellabah auf dem Fahrersitz und riss die Tür auf. Warf sich die Dschellabah über und versuchte, in der Menge unterzutauchen. Das Geschrei. Die Männer. Die Wüste. Fast stolperte er über einen kleinen Jungen, der bäuchlings vor ihm im Sand lag. Der Junge hob kraftlos eine Hand. Sein Gesicht war geschwollen, die Haut blätterte rissig von der Stirn. Er trug eine blaue Uniformjacke mit goldenen Tressen und hatte ein Sturmgewehr im Arm. Hosen trug er keine. An einem Knöchel hing ihm eine hellblaue Socke. Unter der Nase ein Ausrufezeichen aus getrocknetem Blut.
    «A-a», sagte der Junge kaum hörbar.
    «Was?» Carl drehte sich nach seinen Verfolgern um. Dann sah er wieder den Jungen an.
    «A-a.»
    «Was?»
    Der Junge senkte den Kopf, schluckte mit zusammengekniffenen Augen und öffnete mit einem klickenden Laut den Mund.
    «Assa»,

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