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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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den Weg zwischen den Bäumen zum Meer hinunter orange. In einer kleineren Gruppe von Europäern saßen barbusige Frauen, und es mochte dem Einfluss der Gruppe, der Autorität der Hotelanlage oder geheimen Sicherheitsdiensten zu verdanken sein, dass höchstens zwei oder drei verirrte Dschellabahs in den Baumkronen hingen. Helen breitete zwei Decken in den Sand. Er fiel auf den Rücken wie ein Käfer, blieb liegen und wehrte die angebotene Sonnenmilch stumm ab. Die Müdigkeit kehrte sofort zurück.
    «Und es ist auch nichts wiedergekommen?»
    «Nein.»
    «Du kannst dich aber erinnern, was für ein Meer das da ist?»
    «Ja.»
    «Und auch, wie der Ort hier heißt und in welchem Land wir uns befinden?»
    «Ja.»
    «Dein Englisch ist ganz ordentlich. Französisch kann ich nicht beurteilen. Kannst du Arabisch?»
    «Ja.»
    «In welcher Sprache denkst du?»
    «Französisch.»
    «Kannst du schwimmen?»
    Während Helen mit schwebenden Schritten über den Strand und ins Wasser ging, schob er die Handtücher unter seinem Kopf zusammen, um ihr im Liegen nachschauen zu können. Die Sonne stand fast genau über ihr. Gleißendes Licht löste ihre Konturen im Gegenlicht auf, ihre Taille schrumpfte auf nichts zusammen.
    Er wusste, dass er schwimmen konnte. Aber er wusste nicht, woher er es konnte. Er wusste nicht einmal, woher er es wusste. Er konnte kraulen und brustschwimmen. Die Worte und Bewegungen standen ihm im Geiste sofort zur Verfügung.
    Einmal drehte Helen sich um und strich mit einer reizend affektierten Geste die Haare hinter ihre Ohren. Eine kleine Welle spritzte an ihr hoch, sie lächelte ein wenig undurchschaubar, und er fragte sich, ob ein menschliches Gehirn ein Bild, so bezaubernd wie dieses, jemals vergessen könnte; ob er es schon vergessen hatte.
    Während er noch zurücklächelte, spürte er tief aus seinem Innern einen Gedanken sich emporarbeiten, einen Gedanken, der, wie er jetzt deutlich fühlte, schon länger im Dunkel hin und her bewegt worden war: Was, wenn er sie tatsächlich von früher kannte? Wenn sie ihn kannte? Wenn sie ihm nur Theater vorspielte? Er sprang auf, lief den Strand hinunter, lief zurück und stolperte über zwei Badegäste. Helen bemerkte ihn erst, als er bis zu den Oberschenkeln im Wasser stand und schrie. Er kannte niemanden. Niemand kannte ihn. Er kannte sich selbst nicht. Er war verloren.
    «Langsam atmen. Langsam. Dir fehlt nichts. Das geht gleich wieder.» Helen schob ihn an den Schultern auf den Strand, drückte ihn auf die Decken nieder und hielt eine Weile seinen Arm fest.
    «Ruhig.»
    «Ich muss was machen.»
    «Was willst du machen? Nicht die Luft anhalten.»
    «Ich kann hier nicht sitzen.»
    «Dann geh zum Arzt.»
    «Kann ich nicht.»
    «Nehmen wir mal an, du bist kein Schwerverbrecher.»
    «Irgendeine Scheiße hab ich am Hacken.»
    «Aber du bist kein Mörder.»
    «Woher willst du das wissen?»
    «Der Flaschenzug hat sich aus Versehen gelöst. Hast du selbst gesagt.»
    «Und das andere?»
    «Welches andere?»
    «Dass ich mit diesen Leuten zu tun hab. Wahrscheinlich bin ich einer von denen.»
    «Du bist paranoid. Und ein Schwerverbrecher bist du nicht.»
    «Woher willst du das wissen?»
    «Ich hab dich drei Tage und drei Nächte erlebt. Besonders die Nächte. Du bist kein Verbrecher. Wenn du es genau wissen willst: Du bist ein Häschen. Du kannst keiner Fliege was tun. Das ist jetzt so, und das war schätzungsweise auch vorher so. Die Grundzüge der Persönlichkeit ändern sich durch eine Amnesie nicht.»
    «Woher weißt du das?»
    «Weiß ich halt.»
    Er sah sie lange zweifelnd an, und schließlich stand sie auf, packte die Handtücher zusammen und nickte ihm zu. Es war auch nicht Liebe. Es war irgendwas Schlimmeres.

    DRITTES BUCH: DIE BERGE
     
    DER TEUFEL
     
    Einen Bund machen sie also: Einer lässt den anderen aus seiner Hand trinken und trinkt selber aus des anderen Hand. Wenn sie aber gar nichts Flüssiges haben, so nehmen sie Staub von der Erde auf und lecken den ab.
    Herodot
     
    Einen kleinen Plastikbeutel mit aufgedruckten Sonnenblumen in der Hand ging er zum Einkaufen. Das Geschäft lag gleich neben dem Sheraton, dreihundert Meter den Berg hinauf. Die Tour hatte er am Tag zuvor schon einmal mit Helen gemacht, jetzt war es sein erster Weg allein. Die fremden Gesichter auf der Straße machten ihm zu schaffen. Wenn sie lächelten, meinte er, erkannt zu werden, und wenn sie ihn ansahen und nicht lächelten, beunruhigten sie ihn noch mehr. Ein Mann im Trenchcoat fiel

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