Herrschaft der Alten (Roman) (Science Fiction Thriller /Herrschaft der Alten Gesamtausgabe) (German Edition)
Amerika lag für die zumeist sehr jungen einheimischen Schöpfer in weiter Ferne. Niemand konnte vorhersagen, ob es überhaupt noch Holo-Dramen gab, wenn die ersten von ihnen das Reisealter erreicht hatten.
Benn ging all das durch den Kopf, während er zusammen mit Sara durch das von den fantastischsten Kreaturen bewohnte Dorf des Holoparks Süd ging. Und es war ein seltsames Gefühl, an diesem Event in dem Bewusstsein teilzunehmen, all dies schon sehr bald hinter sich gelassen zu haben.
Irgendwie hatte Benn schon jetzt das Gefühl, nicht mehr wirklich dazuzugehören. Er war innerlich kein Teil mehr dieser Zwangsgemeinschaft von Eingesperrten, die dazu verurteilt waren, sich die große, weite Welt bis zu ihrem fünfundsiebzigsten Geburtstag nur über das Netz anzusehen, sie aber nicht betreten zu können.
Wie alle echten Personen, die am Event teilnahmen, waren auch Benn und Sara stilgerecht verkleidet. Schließlich hätte jeder Teilnehmer in Straßenkleidung für alle anderen die Illusion einer fantastischen Welt zerstört und so achteten die Veranstalter der Holo-Drama-Events peinlich genau darauf, dass niemand eingelassen wurde, der den strengen Vorgaben nicht entsprach, die man über das Netz abrufen konnte.
Benn ging als Elbenkrieger Lirandil, einem Charakter, den er bei früheren Events gerne angemeldet hatte, der ihm aber inzwischen zu konventionell geworden war. Aber auch wenn es Benn gegen die Schöpfer-Ehre ging, den Elbenkrieger Lirandil als Holo-Drama-Charakter zu präsentieren, so war nichts dagegen einzuwenden, sich als dieser zu verkleiden. Benn trug ein hüftlanges Wams aus einem fließenden Stoff, enganliegende Hosen und einen breiten Gürtel mit einem Schwert, in dessen Klinge Elbenrunen eingraviert waren. Sein Gesicht war blass geschminkt, eine Perücke verlieh ihm schulterlanges Haar, durch das spitze Elbenohren hindurchstachen. Letztere waren allerdings holografische Täuschungen, erzeugt von batteriebetriebenen Miniprojektoren, die man sich ans Ohr klemmte.
Der Elbenkrieger Lirandil war ein Fährtensucher, der im Auftrag seines Königs viele Länder durchstreifte. Ein Wesen, das einem fast unsterblichen, nicht-menschlichen Volk angehörte, in dessen Reich kaum Kinder geboren wurden und in dem altersweise Uralte das Sagen hatten. Lirandil aber zog es in die Ferne, während sich jedoch in seiner Heimat kaum noch jemand dafür interessierte, was außerhalb der eigenen Grenze geschah. Für Lirandil, den Weitgereisten, der in die entferntesten und wundersamsten Orte vorgedrungen und die absonderlichsten Sprachen sowie die eigenartigsten, geheimsten Formen der Magie erlernt hatte, wurde die Eigenart seines eigenen Volkes damit immer unverständlicher.
So hatte Benn sich jedenfalls den Elbenkrieger vor ein paar Jahren erschaffen. Lirandil war somit wohl nichts anderes als die Holo-Drama-Charakter-gewordene Sehnsuchtsfantasie von jemandem gewesen, der sich schon lange gewünscht hatte, die engen Grenzen seiner eigenen Heimat überschreiten zu können, ohne die bessere Hälfte des Lebens in einem virtuellen Kerker verbringen zu müssen.
Sara hatte sich auch verkleidet. Sie ging als Marktfiedlerin und hatte ihre Violine mitgenommen. Sara, die Fiedlerin – das war nun wirklich nicht besonders originell. Benn hatte es in den letzten Jahren immer wieder geschafft, Sara dazu zu überreden, eine von seinen Charakterideen darzustellen. Benn hatte genügend solcher Ideen entworfen, die er bisher noch nicht hatte realisieren können. So war sie Elvany, die Zauberprinzessin, gewesen und ein anderes Mal Emwén, die Halbelbin. Aber diesmal hatte Sara es abgelehnt, sich aus dem reichen Fundus von Benns Ideen zu bedienen. Und so war sie nun nur einfach Sara, die Marktfiedlerin. Das lange fließende Gewand, was sie dabei trug, gehörte noch nicht einmal dazu, sondern zu der Halbelbin Emwén.
Ausgerechnet jetzt, wo es wahrscheinlich das letzte Mal war, dass sie am Holo-Drama im Holopark Süd zusammen teilnehmen konnten, hatte Sara diesen vergleichsweise schlichten Auftritt bevorzugt.
Benn überlegte, ob es ihr vielleicht so ähnlich wie ihm damit ging und das Interesse daran einfach schon zu sehr erlahmt war, um sich noch mal richtig ins Zeug zu legen.
Sie gingen die Straße entlang, in der sich Gaukler tummelten und man auf den Ausgang von Ringkämpfen zwischen holografisch animierten Ogern wetten konnte. Die grünhäutigen, vor Kraft nur so strotzenden Oger waren von dem Echsenmenschen, der als
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