Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
du lässt mir keine andere Wahl.« Diviciac holt tief Luft. »Vor etwas mehr als 60 Jahren hat Rom dem Volk der Aedui den Titel ›Freunde Roms‹ verliehen. Was ich nunmehr fordere, ist nicht mehr und nicht weniger, als dass Rom diese Worte nun mit Leben füllt. Schicke uns deine Legionen, damit sie die Germanen unter Ariovist davon abhalten, unsere edlen Familien abzuschlachten wie Vieh!«
Caesar zieht unwillig die Augenbrauen zusammen. Diviciac fordert ? Ein Angehöriger eines Volkes außerhalb des ager Romanus stellt sich vor Caesar hin und glaubt, er habe ein Recht darauf, dass Rom seine Bürger für ihn opfert?
Das macht es ihm leicht. »Aeduer, du vergisst dich. Rom kann dir nicht helfen. Eure eigentlichen Feinde sind die Sequani, warum wendest du dich mit deinem Ersuchen nicht an sie? Oder bist du zu stolz, um dort um Gnade zu bitten?« Er hätte auch ohne das Gesicht seines Gastes zu sehen, gewusst, wie sehr er ihn beleidigt hat. Diviciac zuckt zusammen, als hätte er einen Schlag mitten ins Gesichterhalten. Caesar glaubt, die rasenden Gedanken seines Gastes hören zu können, die nur mühsam beherrschte Wut, und die Angst, unverrichteter Dinge zu seinem Volk zurückkehren zu müssen. Als Diviciac schließlich ohne ein weiteres Wort aus der Tür stürmt, ist Caesar ihm beinahe dankbar dafür. Normalerweise hätte er eine solche Unhöflichkeit als grobe Missachtung seiner Person hart bestrafen müssen.
Caesar spürt einen leichten Schmerz in den Schläfen und presst die Spitzen seiner Zeigefinger dagegen. Er hat nichts gegen Diviciac. Er hat auch nichts gegen die Aedui. Und natürlich weiß er auch, dass sie offiziell »Freunde Roms« sind und er eigentlich keine rechtliche Grundlage für die Verweigerung der Hilfe hat. Bis auf einen kleinen Missstand, der ihn in einen echten Konflikt bringt. »Freunden Roms« erbetene Hilfe zu verweigern, ist eine Sache; militärisch gegen »Freunde« vorzugehen jedoch eine ganz andere. Aus diesem Missstand kann sich Caesar auch nicht herauswinden, kann nicht mit der Fehlentscheidung eines anderen argumentieren, denn gerade einmal ein Jahr zuvor – in seinem Konsulatsjahr – hat der Senat dem Germanen Ariovist den Titel »Freund Roms und König« verliehen.
Caesar seufzt. Er hat die Wahl zwischen zwei Übeln, und er hofft, mit der Verprellung des Diviciac und der Aedui die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Für Rom. Und für sich.
Nach Diviciacs Zurückweisung durch Caesar führen die Germanen ihren Vernichtungsfeldzug gegen die Aedui fort und zwingen sie schließlich planmäßig, sich den Sequani formell zu unterwerfen.
Nicht mehr ganz so vereinbarungsgemäß quartiert sich Ariovist nach der Erfüllung seines Auftrages im Land seiner Auftraggeber ein. Aufgrund seiner militärischen Überlegenheit hat er schnell ein reichliches Drittel des sequanischen Territoriums besetzt, um Siedlungsland für die inzwischen 120
000 Germanen zu haben. Schließlich verlangt er von den Sequani die Räumung weiterer Landstriche, da er gedenkt, einem Teil seiner germanischen Untertanen hier eine neue Heimat zu geben. Die nächsten 24
000 seien bereits auf demWeg. Beherrschen würde er die Gallier ja ohnehin schon, immerhin haben ihm alle Stämme Geiseln gestellt und zahlen ihm Tribut.
Sequani, Aedui, Arverner und ihre Klientenstämme sind sich unter diesem Leidensdruck auf einmal wieder einig: Jetzt kann nur noch Rom helfen. Also wenden sie sich mit einem Hilfeersuchen an Caesar, der gerade von der Zerschlagung der Helvetier zurückgekehrt ist.
Theoretisch hat Caesar mit diesem offiziellen Hilfeersuchen nun seinen lang ersehnten Grund, legal nach Gallia comata einzumarschieren, denn Ariovist und seine Krieger gefährden das politische Gleichgewicht in der Region und damit die Provinz. Praktisch steckt er jedoch in derselben Zwickmühle wie zuvor beim Ersuchen des Diviciac.
Er muss abwägen und handeln. Unter Berücksichtigung der Konstellation versucht er zunächst Ariovist zu einer Unterredung zu sich zu bitten. Dieser stellt erst einmal die Machtverhältnisse klar: Wenn er, Ariovist, ein Anliegen an Caesar hätte, würde er zu ihm kommen; wenn Caesar eines an ihn hat, möge er sich zu ihm, Ariovist, bewegen. Die Antwort eines mächtigen Herrschers, der sich als von Rom unabhängig und nach geltendem Recht gleichberechtigt fühlt.
Das lässt die »Freundschaft« merklich abkühlen. Doch so sehr ihn die Nachricht des germanischen Herrschers auch ärgert, so sehr
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