Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
zwischen Saône und Jura und im Gegensatz zu den Aedui in ihrer Gesamtheit antirömisch gestimmt. In allen Bündnisverhandlungen stellt Orgetorix unmissverständlich klar, dass er die Oberherrschaft nicht nur der Helvetier, sondern des ganzen Stammesverbundes anstrebt. Wäre das nicht ein kleiner Preis dafür, dass man mit der Vereinigung der drei stärksten gallischen Stämme mächtig genug wäre, um sogar gegen die Germanen jenseits des Rheins anzutreten?
Orgetorix findet offene Ohren, vor allem im eigenen Stamm. Die Helvetier wollen als Führung keine Ansammlung von schwachen Ratsherren. Sie wollen einen starken Mann. Orgetorix wird Tatsachen schaffen. Sein Volk braucht Land. Genau das wird er ihnen geben.
Anstatt nun allerdings zum überhasteten Aufbruch zu blasen, bereitet er den Auszug seiner Anhänger über zwei Jahre hinweg generalstabsmäßig vor. Innerhalb kürzester Zeit schart er eine Privatarmee aus mehreren Zehntausend Männern (sämtlichst Klienten, Schuldner und durch Zweckheiraten verbundene andere kleinere Adlige) um sich. Er schließt Allianzen, lässt in großem Stil Zugtiere und Wagen aufkaufen und alles zur Verfügung stehende Land mit Getreide bestellen, um ausreichende Vorräte für den bevorstehenden Marsch zu haben.
Die Ratsherren der Helvetier erkennen die Gefahr, die von Orgetorix’ Alleingang ausgeht. Doch es ist nicht so einfach, Orgetorix über die »offiziellen« Wege festzusetzen und wegen Hochverrats vor das Stammesgericht zu bringen. Würde er verurteilt, so droht ihm die für Verräter übliche Strafe: Tod durch Verbrennen. Aber Orgetorix ist ein mächtiger Mann, und seine Anhänger verhindern, dass ihr Anführer zur Verantwortung gezogen werden kann. Allerdings ist auch sein Glück endlich. Ob durch Verrat aus den eigenen Reihen oder durch eine verdeckte Operation des Magistrats; einige Zeit nach der versuchten Verhaftung stirbt Orgetorix unter mysteriösen Umständen.
Allerdings hat er gute Vorarbeit geleistet, denn seine Anhänger denken gar nicht daran, von ihrem Vorhaben abzulassen. Ihr Aufbruch in neue Gebiete wird begleitet von einer Maßnahme, die demonstriert, wie ernst es den Helvetiern mit ihrem Plan ist. Die Abtrünnigen brennen ihre zwölf Städte nieder, damit es auch ja nichts mehr gibt, wofür es sich zurückzukommen lohnt. Da die Helvetier die Überschreitung des Rheins scheuen (vielleicht, weil ihnen Ariovist, der aktuelle germanische Herrscher auf der anderen Seite, zu stark erscheint), bleiben ihnen nur zwei Wege. Der schwierigere führt durch das Land der Sequani, die sich, auf das ehemalige Bündnis mit Orgetorix angesprochen, eigenartig wortkarg verhalten. Der für diese Menschenmassen (immerhin ca. 300
000 Helvetier) ohnehin leichtere Weg führt durch das Stammesterritorium der bislang in ihren Plänen noch nicht aufgetauchten Allobrogen. Nachvollziehbar fällt die Wahl auf Variante zwei. Nur ist der scheinbar leichtere Weg mit einem kleinen, aber dennoch unübersehbaren Makel versehen. Das Stammesgebiet der Allobrogen ist seit 60 Jahren Bestandteil der römischen Provinz Gallia Narbonensis.
Der verantwortliche Vertreter Roms heißt aktuell Gaius Iulius Caesar. Dass dieser dem Durchzugsersuchen der Helvetier nicht stattgibt, ist verständlich. Er ist nicht so naiv zu glauben, dass der Marsch von 300
000 Menschen durch bereits mühevoll befriedetes Gebiet völlig reibungslos abläuft. Zur Bekräftigung seines Neins lässt Caesar einen 27,5 Kilometer langen, fast fünf Meter hohen befestigten Sperrwall errichten. Die Helvetier wenden sich nunmehr der ersten Wegvariante zu, durch das Stammesgebiet der Sequani.
Im Grunde hat Caesar damit seinen Auftrag erfüllt: Er hat die römische Provinz vor einem massiven Einmarsch keltischer Stämme bewahrt. Der Zug der Helvetier in sequanisches Gebiet ist an und für sich eine rein keltische Angelegenheit. Dennoch wird Caesar die Helvetier nicht einfach ziehen lassen. Oder anders: Er kann es sich nicht leisten, sie einfach ziehen zu lassen. Und dass er sich das nicht leisten kann, hat so ganz und gar nichts mit den Helvetiern zu tun.
Denn der Machtpolitiker Caesar verfolgt mit den Interessen Roms vor allem auch seine eigenen. Er hat Probleme vielerlei Gestalt. Da wäre zunächst der finanzielle Aspekt. Das Erkaufen einer Politikerlaufbahn ist teuer. Der römische Senatsadel steht in permanentem Wettbewerb um Macht und Ansehen. Spiele, die man als Aedile veranstaltet (und aus eigener Tasche bezahlt), um das
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