Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
tolerant Rom im Regelfall mit den Religionen der von ihm unterworfenen Völker umgeht, so unbarmherzig verfolgt es jeden Ansatz des Druidentums.
Inwiefern Vercingetorix etwas davon mitbekommt, was mit seinem Land und seinem Volk geschieht, darüber kann nur spekuliert werden. Für ihn, der wie kaum ein anderer an der Macht der neuen Kräfte innerhalb der niedergehenden römischen Republik gekratzt hat, hat sich Caesar etwas Besonderes einfallen lassen …
Er sitzt auf dem harten Boden und starrt seine Hände an. In seinen Ohren dröhnen noch die Schreie der Gaffer, die zu Tausenden die Straßen dieser verfluchten Stadt gesäumt haben, das Gebrüll, das wie Wasser über seinem Kopf zusammengeschlagen ist, als sie durch das Tor getreten sind.
Gaius Iulius Caesar, der Besieger der Gallier, auf seinem prächtigen geschmückten Kampfwagen.
Und er, Vercingetorix. Der Wilde. Schmucklos, waffenlos, das Haar struppig, die Augen rotgerändert und zusammengekniffen, um sie vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen. Dem römischen Volk vorgeführt im Triumphzug des Caesar wie ein wildes Tier.
Vor sechs Jahren hätte er sich wahrscheinlich brüllend vor Scham auf Caesar und dessen Leibgarde gestürzt und den Stoß mit Lanze, Schwert oder Dolch dankbar empfangen. Doch sechs Jahre römische Gefangenschaft haben ihn verändert. Er hat nur noch wenig von der Kraft in sich, die ihn damals zum Anführer aller Gallier gemacht hat.
Aber sein Stolz ist ihm nicht verloren gegangen. Und den wird er ihnen heute entgegenschleudern, wenn sie nachher kommen werden, um ihn abzuholen.
Dann wird es endlich vorbei sein.
Nach dem Triumphzug haben sie ihn wieder in seine Zelle gebracht. Dann haben sie ihm etwas zu essen und Wein zu trinken gegeben. Da ist ihm bewusst geworden, dass dies heute sein letzter Tag sein würde.
Essen und Wein hat er nicht angerührt. Er sitzt und starrt ins Dunkel, bis er die Schritte der genagelten Sandalen auf dem Steinboden des Kerkers hört. Langsam erhebt er sich, und als sie das Gitter öffnen, tritt er ruhig in ihre Mitte.
Schweigend führen ihn die Legionäre hinaus. Vercingetorix ist überrascht, als er sieht, dass diesmal keine Zuschauer da sind, die ihn auf seinem letzten Weg anstarren. Er ist auch dankbar, dass inzwischen Abend ist und ihn das Sonnenlicht nicht mehr blendet. Nur noch die zuckenden Flammen der Fackeln seiner Eskorte werfen Licht und ihre Schatten auf die Wände der Häuser, an denen sie vorübergehen.
Nach einer kleinen Weile sind sie am Marmertinischen Kerker beim Forum Romanum , dem Ziel ihres Marsches, angelangt. Unwillkürlich zieht Vercingetorix die Augenbrauen zusammen. Er weiß, dass er heute sterben wird, aber er hätte als Ort einen öffentlichen Platz erwartet. Seine Hinrichtung als Ergötzung der Massen,wäre das nicht eher nach dem Charakter der Römer? Was soll das hier?
Sein Schritt verlangsamt sich ein wenig, als ihr kleiner Zug den wie einen Tempel hergerichteten Raum betritt. Fackeln an den Wänden und Feuerschalen auf dem Boden lassen die Szene gespenstisch erscheinen. Weiß gewandete Priester bilden einen Halbkreis. Vercingetorix wird in die Mitte geführt, die Legionäre bleiben etwas zurück. Eigentlich haben sie im Tempel gar nichts zu suchen, doch heute wird eine Ausnahme gemacht. Wer weiß schon, wie gebrochen der ehemalige Anführer der Gallier nach sechs Jahren Kerkerhaft wirklich ist?
Der Halbkreis öffnet sich, und ein etwa 50 Jahre alter, nicht sehr großer Mann mit schütterem weißem Haar tritt in den Kreis. Vercingetorix hebt den Kopf. Unwillkürlich strafft sich sein Körper. Einmal noch, ein letztes Mal, will er größer sein als Gaius Iulius Caesar.
Irritiert blickt er zur Seite, als ein monotones Gemurmel einsetzt. Die Priester der Stadt Rom halten ihre Köpfe gesenkt und beten zu ihren Göttern. Es ist erstaunlich, wie zerbrechlich Männer wirken, die im Gespräch mit ihren Göttern sind.
Die an den äußeren Enden des Halbkreises stehenden Priester unterbrechen plötzlich ihr Gebet. Sie treten von links und rechts an Vercingetorix heran, stellen sich neben ihn und knien nieder. Sie blicken zu ihm auf und er begreift, dass von ihm erwartet wird, dasselbe zu tun.
Glauben sie etwa, dass er so kurz vor seinem Tod anfängt, zu römischen Göttern zu beten?
Er unterdrückt ein Stöhnen, als seine wunden Knie auf den harten Marmorboden stoßen. Sofort werden die Gebete neben ihm lauter, während aus der Richtung des Halbkreises ein monotoner
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