Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
vorbei. Jetzt erst kann sie schreien.
»Lasst sie, bleibt stehen!«
Die beiden Männer verharren einen Augenblick in ihrem Lauf. Cyndra holt tief Atem. »Lasst sie! Holt Bordw, und dann laufen wir weg!«
»Weglaufen? Und alles verlieren? Kampflos?«
»Sie sind zu viele! Wir werden alle sterben!« Sie merkt, wie Tränen ihren Blick verschleiern.
Cardw und Dwydd werfen ihr einen Blick zu, den sie festhält.
Das ist der Abschied.
Plötzlich ist Bordw da. Sie fällt auf die Knie und er stürzt weinend in ihre Arme. Über seinen schweißnassen Haarschopf hinweg sieht sie, wie Cardw sich mit dem Schwert in der Hand auf den ersten fremden Krieger stürzt. Cyndra kann nicht erkennen, was dort in etwa 60, 70 Metern Entfernung geschieht. Sie sieht nur ihren Bruder plötzlich zurücktaumeln. Noch steht er, doch seine Arme hängen seitlich herab. Der riesige Krieger vor ihm macht einen Schritt nach vorn und holt aus. Cardw stürzt zu Boden wie von einer Riesenfaust getroffen.
Dwydd ist stehen geblieben und hebt das Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf. Cyndra will die Augen schließen, doch irgendetwas zwingt sie, weiter zu starren. Dann schießt Dwydds Schwert nach unten, und für einen Moment sieht es wirklich so aus, als hätte er den Angriff aufgehalten. Doch schon im nächsten Augenblick verschwindet er unter der anrollenden Welle der Angreifer.
Cyndra senkt den Kopf. Sie spürt die Wärme, die von ihrem Sohn ausgeht, der nur noch leise vor sich hinwimmert. Und sie nimmt dasZittern des Bodens auf, der unter den Stiefeln der Krieger und Hufen der Pferde bebt.
Sie schließt die Augen. Jetzt gibt es nur noch einen, mit dem sie reden muss. Sie faltet die Hände und beginnt zu beten …
Die Angriffe der Stämme aus dem heutigen Norddeutschland und Dänemark mehren sich. Vor allem aber hören sie auf, Raubzüge zu sein. Die Angreifer, Männer, die ihren Namen von einem doppelschneidigen Messer, der seax , ableiten, entwickeln ein großes Interesse an britannischen Immobilien – Siedlungsland. Die Bewohner des Kernlandes der ehemaligen römischen Provinz, dem Südosten Britanniens, sind die ersten Verlierer. Zwei Aspekte werden ihnen zum Verhängnis.
Erstens. Ihnen ist nach dem Weggang der Römer nicht genügend Zeit geblieben, sich eigene, wirksame Verteidigungsstrukturen zu schaffen. Es bleibt bei mehr oder weniger lokal organisierten Kriegergruppen, dem, was man heute eine »Bürgerwehr« nennen würde. Es hilft auch nicht, dass es schließlich einem Fürsten gelingt, die einzelnen Gemeinschaften Südostbritanniens vorübergehend unter seiner Herrschaft zu vereinigen. Im Gegenteil. In der typisch keltischen Denkweise dieses Fürsten liegt genau genommen das zweite Problem.
In Bezug auf Karriere bedeutet der Weggang der Römer, dass das aufgepfropfte römische Verwaltungssystem der Machterlangung – die zivile »Beamtenlaufbahn« – plötzlich nicht mehr existiert. Ganz im Gegensatz zu persönlichen Machtbestrebungen einzelner Individuen. Und die Geschichte wiederholt sich: Findet man keine Verbündeten im Kreise seiner Nachbarn, sucht man sie sich halt woanders …
So sieht der britannische Fürst Vortigern die ständigen Raubüberfälle von nordgermanischen Völkerschaften, deren kriegerische Fähigkeiten durchaus beeindruckend sind, auch nicht durchweg negativ. Vortigerns Bestrebungen sind einfacher Natur: Die Römer sind weg, ein Machtvakuum ist entstanden, das die lokalen Stammesverwaltungen in Südostbritannien auch jetzt, ungefähr im Jahre 430 n. Chr., nur ungenügend ausfüllen. Ideale Bedingungen für einen ehrgeizigen Mann, der nach Höherem strebt. Allerdings braucht er Hilfe, militärische Hilfe. Diese findet er in einem Haufen jütischer Krieger, die sich bereitwillig als Söldner anheuern lassen und sich schnell im heutigen East Anglia festsetzen. Ob ihnen kurz darauf der Sold zu niedrig ist oder sie eine andere Beschwer haben, man weiß es nicht. Auf jeden Fall meutern die Jüten eines Tages gegen Vortigern. Letzterer zeigt sich flexibel. Wenn die Jüten nicht wollen, dann vielleicht die Sachsen? Folgerichtig alliiert er sich mit den sächsischen Fürsten Hengist und Horsa, die ihm wunschgemäß die jütischen Meuterer vom Hals schaffen. Doch scheint Loyalität generell nicht die Stärke der nordgermanischen Völkerschaften zu sein, denn nach erfüllter Aufgabe beschließen Hengist und Horsa, dass dieses Britannien gar kein schlechter Platz zum Leben ist. Also nutzen die Sachsen ihre
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