Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
einige einen Gott nannten – war ihm erschienen und hatte ihm das Leben gerettet. Er befürchtete, es könnte eine Halluzination gewesen sein. Aber wenn es so war, wie hatte er dann die Kraft des Weißblechs erlangt?
Er schüttelte den Kopf und griff nach seinem Verband, doch er hielt inne, als er etwas im Spiegelbild aufglitzern sah. Er trat näher heran. Wie immer stellte das Sternenlicht, das von draußen hereinfiel, die einzige Beleuchtung dar. Mit Hilfe seiner ungeheuer geschärften Zinnsinne erkannte er jedoch deutlich das Metallstück, das in seiner Schulter steckte, auch wenn es kaum aus dem Fleisch herausragte.
Die Spitze vom Schwert dieses Mannes, erkannte Spuki, desjenigen, der mich aufgespießt hat. Sie ist zerbrochen, und irgendwie ist dieses Stück in meiner Haut geblieben. Er biss die Zähne zusammen und wollte es herausziehen.
»Nein«, sagte Kelsier. »Lass es drin. Es ist genau wie die Wunde, die du jetzt trägst, ein Zeichen deines Überlebens.«
Spuki zuckte zusammen Er schaute sich um, doch diesmal gab es keine Erscheinung. Nur die Stimme. Aber er war sicher, dass er sie gehört hatte.
»Kelsier?«, fragte er zögernd.
Es kam keine Antwort.
Werde ich allmählich verrückt?, fragte er sich. Oder … ist es genau das, was die Kirche des Überlebenden lehrt? Könnte es sein, dass Kelsier zu etwas Größerem geworden war – zu einer Wesenheit, die über ihre Anhänger wachte? Und wenn es so war, beobachtete Kelsier ihn dann andauernd? Das war ein etwas … beunruhigender Gedanke. Aber wenn er dadurch die Kraft des Weißblechs erhalten hatte, durfte er sich nicht darüber beschweren.
Spuki drehte sich um, zog sein Hemd an und streckte den Arm noch einmal. Er brauchte mehr Informationen. Wie lange hatte er im Delirium gelegen? Was machte Quellion jetzt? Waren die anderen aus der Mannschaft bereits hier eingetroffen?
Er verbannte die Gedanken an seine seltsamen Visionen für den Augenblick, verließ sein Zimmer und huschte hinaus auf die dunkle Straße. Wie es bei Schlupfwinkeln üblich war, war
auch seiner nicht gerade beeindruckend – ein Raum hinter einer Geheimtür, die in einer Mauer im Armenviertel steckte. Aber das war besser, als in einer dieser überfüllten Baracken zu hausen, an denen er auf seinem Weg durch die finstere, vom Nebel umschmiegte Stadt vorbeikam.
Der Erste Bürger liebte es, so zu tun, als wäre in seinem kleinen Utopia alles vollkommen, aber Spuki hatte es nicht überrascht, auch hier Armenviertel zu finden, wie in jeder anderen Stadt, die er bisher besucht hatte. Es gab viele Leute in Urteau, die aus dem einen oder anderen Grund nicht gern in Vierteln lebten, in denen sie unter Aufsicht des Ersten Bürgers standen. Diese Menschen hatten sich an einem Ort zusammengefunden, der als »die Egge« bekannt war. Die Egge war ein außerordentlich enger Kanal weitab der Hauptgräben.
Die Egge war verstopft mit einem unordentlichen Gemisch aus Holz, Kleidern und Körpern. Die Hütten lehnten gegeneinander, gegen Erde oder Fels, türmten sich übereinander, krochen die Kanalwände hoch zum dunklen Himmel über ihnen. Hier und da schliefen Leute nur unter einem schmutzigen Laken, das sie zwischen zwei Stücken städtischen Treibgutes gespannt hatten. Ihre tausendjährige Angst vor dem Nebel war einfachen Notwendigkeiten gewichen.
Spuki schlurfte den überfüllten Kanal entlang. Einige der übereinandergetürmten Häuser waren so hoch und breit, dass sich der Himmel weit oben zu einem bloßen Spalt verengt hatte. Das durch ihn herabfallende Mitternachtslicht war so schwach, dass es niemandem außer Spuki nützte.
Vielleicht war dieses Chaos der Grund, warum der Erste Bürger die Egge nie besuchte. Oder er wartete einfach darauf, ihre Bewohner auszukehren, sobald er sein Königreich noch besser im Griff hatte. Wie dem auch sei, seine strenge Gesellschaftsordnung führte zusammen mit der Armut, die sie erschuf, zu einem erstaunlich offenen Nachtleben. Unter dem Obersten Herrscher
war auf den Straßen patrouilliert worden, aber der Erste Bürger predigte, der Nebel stamme von Kelsier, und so konnte er den Einwohnern kaum verbieten, in ihm umherzugehen. Urteau war nach Spukis Erfahrung der einzige Ort, in dem man zur Mitternacht durch die Straßen spazieren und eine kleine offene Taverne finden konnte, in der man etwas zu trinken bekam. Er betrat eines dieser Wirtshäuser und wickelte sich eng in seinen Mantel ein. Es gab keine richtige Theke. Eine Gruppe verschmutzter Männer
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