Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
herausfinden wollte, ob sie hinter sich ein allomantisches Pulsieren verspürte. Sie wusste, dass sie gegenüber Menschen, die schwach erschienen, übertrieben misstrauisch war. Sehr lange war sie davon überzeugt gewesen, dass Cett ein Nebelgeborener war, nur weil er querschnittsgelähmt war. Sie überprüfte Langsamschneller. Das war eine alte Angewohnheit, die sie nicht abzuschaffen gedachte.
Kein Pulsieren erschien hinter ihr. Bald machte sie sich wieder auf den Weg und suchte nach dem zweiten Informanten, den Cett ihr genannt hatte. Sie vertraute Langsamschnellers Worten, aber sie brauchte eine Bestätigung für sie. Nun nahm sie sich einen Informanten am anderen Ende des Spektrums vor – einen Bettler namens Hoid, von dem Cett behauptet hatte, man könne ihn am späten Abend immer auf einem bestimmten Platz finden.
Einige rasche Sprünge brachten sie zu der angegebenen Stelle. Sie landete auf einem Dach, schaute hinunter und suchte das Gelände ab. Hier trieb die Asche umher, türmte sich in den Ecken auf und beschmutzte alles. Zerlumpte Menschenbündel drängten sich in einer Gasse neben dem Platz zusammen. Es waren Bettler ohne Heim oder Arbeit. Vin hatte einmal genauso gelebt, in Gassen geschlafen, Asche beiseitegeschaufelt und gehofft, dass es nicht regnete. Bald hatte sie eine Gestalt ausgemacht, die nicht wie die anderen schlief, sondern still in dem leichten Ascheregen saß. Vins Ohren fingen ein leises Geräusch auf. Der Mann summte sich etwas vor, so wie Cett es vorhergesagt hatte.
Vin zögerte.
Sie wusste nicht, was es war, aber irgendetwas störte sie. Etwas stimmte nicht. Sie dachte nicht lange darüber nach, sondern drehte sich einfach um und sprang davon. Das war einer der großen Unterschiede zwischen ihr und Elant – sie brauchte nicht immer einen Grund. Ein Gefühl reichte ihr. Er hingegen wollte immer allem auf den Grund gehen, und sie liebte ihn für seine Logik. Sicherlich wäre er über ihre Entscheidung, sich von dem Platz zu entfernen, sehr enttäuscht gewesen.
Vielleicht wäre nichts Schlimmes geschehen, wenn sie den Platz betreten hätte. Vielleicht aber hätte sich etwas Schreckliches ereignet. Sie würde es nie erfahren, und das war auch nicht nötig. Wie schon so oft in ihrem Leben vertraute Vin auch jetzt auf ihre Instinkte und machte sich auf den Weg.
Ihr Flug führte sie eine Straße entlang, die Cett ihr beschrieben hatte. Vin suchte nicht mehr nach einem weiteren Informanten, sondern folgte stattdessen der Straße und sprang in dem alles beherrschenden Nebel von einem Anker zum nächsten. Schließlich landete sie auf einer Straße mit Kopfsteinpflaster, nicht weit entfernt von einem Gebäude mit erhellten Fenstern.
Es war massig und zweckmäßig und dennoch einschüchternd, und sei es nur wegen seiner Größe. Cett hatte geschrieben, dass das Schatzamt das größte Gebäude des Stahlministeriums in der Stadt war. Fadrex hatte als eine Art von Zwischenstation zwischen Luthadel und den bedeutenderen Städten im Westen gedient. Die Stadt lag in der Nähe der wichtigsten Kanalrouten, war gut gegen Banditen geschützt und bildete damit den perfekten Ort für ein regionales Hauptquartier des Schatzamtes. Doch Fadrex war nicht wichtig genug gewesen, um das Amt für Orthodoxie und Inquisition anzulocken, die traditionell die mächtigsten Abteilungen des Ministeriums gebildet hatten.
Das bedeutete, dass Yomen als Hauptobligator des Schatzamtes die wichtigste religiöse Autorität der gesamten Gegend gewesen war. Aus Langsamschnellers Worten folgerte Vin, dass Yomen ein üblicher Obligator gewesen war: trocken, langweilig, aber schrecklich leistungsfähig. Und deshalb hatte er natürlich sein altes Amtsgebäude zu seinem Palast gemacht. Das hatte Cett vermutet, und Vin erkannte deutlich, dass diese Vermutung den Tatsachen entsprach. Trotz der späten Stunde ging es in dem Gebäude höchst geschäftig zu, und es wurde von mehreren Soldatenkompanien bewacht. Vermutlich hatte Yomen gerade dieses Haus gewählt, weil er allen zeigen wollte, wo seine Befehlsgewalt ihren Ursprung hatte.
Unglücklicherweise befand sich bestimmt hier eine der Vorratshöhlen des Obersten Herrschers. Vin seufzte und wandte sich von der Betrachtung des Gebäudes ab. Ein Teil von ihr wollte
sich hineinstehlen und nach dem Weg hinunter in die Höhle suchen. Doch stattdessen warf sie eine Münze zu Boden und schoss hoch in die Luft. Selbst Kelsier hätte nicht versucht, in der ersten Erkundungsnacht hier
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