Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
gewaltige Fähigkeit zur Bewegung –, die ihm kein menschlicher Körper verschaffen konnte. Es war fast so, als wäre dies die Gestalt, die er schon immer hätte tragen sollen. Was wäre besser für einen Kandra mit einer unheilbaren Wanderlust? Für einen Kandra, der sein Heimatland öfter als jeder andere verlassen und unter den gehassten Händen menschlicher Herren gedient hatte, nur weil er Angst vor der Selbstgefälligkeit hatte?
Er bahnte sich einen Weg durch dürre Wäldchen und über niedrige Berge hinweg und hoffte, dass er seinen Weg trotz des Tuchs aus Asche fand. Die herabregnende Asche besaß durchaus Auswirkungen auf die Kandras – große Auswirkungen. Sie besaßen Legenden über dieses Ereignis. Weswegen gab es den Ersten Vertrag; weswegen gab es das Pfand? Für die meisten Kandras waren diese Dinge kaum mehr als bloße Worte.
Doch sie bedeuteten etwas. Sie hatten einen Ursprung. Damals hatte TenSoon noch nicht gelebt. Aber er hatte die Erste Generation gekannt und war von der Zweiten aufgezogen worden. Er war in jenen Tagen aufgewachsen, in denen der Erste Vertrag – und das Pfand und die Auflösung – mehr als nur Worte gewesen waren. Der Erste Vertrag war eine Sammlung von Anweisungen.
Es ging darin nicht bloß um Zeremonien und Metaphern, sondern um das, was zu tun war, wenn die Welt vor dem Untergang stehen sollte. Er wusste, dass der Inhalt des Ersten Vertrages einige Kandras ängstigte. Für sie war es besser, ihn als etwas Philosophisches und Abstraktes anzusehen – denn wenn er eine konkrete Bedeutung haben sollte, dann würde er den Kandras große Opfer abverlangen.
TenSoon hielt an; er steckte bis zu seinen Wolfshundknien in der tiefen schwarzen Asche. Diese Gegend schien ihm vage vertraut zu sein. Er wandte sich in Richtung Süden, schritt durch eine schmale, felsige Senke – die Steine waren kaum mehr als schwarze Klumpen — und suchte nach einem Ort, an dem er vor über einem Jahr gewesen war. Zu dem er gegangen war, nachdem er sich gegen Zane, seinen Meister gewandt und Luthadel verlassen hatte, um in sein Heimatland zurückzukehren.
Er kletterte auf einige Felsen, umrundete die Flanke eines Vorsprungs und stieß dabei gegen viele Ascheklumpen. Sie brachen auseinander und warfen weitere Flocken in die Luft.
Da war sie. Die Höhlung im Fels; der Ort, an dem er vor einem Jahr Rast gemacht hatte. Er erinnerte sich genau daran, obwohl die Asche das Land stark verändert hatte. Die Segnung der Gegenwart half ihm wieder einmal sehr. Wie könnte er je ohne sie auskommen?
Ohne sie hätte ich keine Empfindungen, dachte er und lächelte grimmig. Es war die Verleihung einer Segnung an einen Nebelgeist, der die Kreatur zu Bewusstsein und wahrem Leben führte. Jeder Kandra besaß eine der vier: Gegenwart, Kraft, Beständigkeit und Kenntnis. Es war unerheblich, welche davon ein Kandra erhielt; jede der vier verliehen ihm – oder ihr – Bewusstsein und verwandelten den Nebelgeist in ein fühlendes und denkendes Wesen.
Außer dem Bewusstsein schenkte jede Segnung noch etwas anderes. Eine Macht. Aber es gab Geschichten über Kandras,
die mehr als nur eine erlangt hatten, indem sie sie den anderen weggenommen hatten.
TenSoon steckte eine Pfote in die Vertiefung, schob die Asche beiseite und grub die Dinge aus, die er vor einem Jahr hier versteckt hatte. Er hatte sie schnell gefunden und legte zuerst das eine und dann das andere auf den Felsen vor sich. Es waren zwei kleine, polierte Eisenstacheln. Es bedurfte zweier Stacheln für eine einzige Segnung. TenSoon kannte den Grund dafür nicht, aber so war es nun einmal.
TenSoon legte sich nieder, befahl der Haut an seiner Schulter, sie möge sich teilen, und nahm die Stacheln in seinen Körper auf. Er bewegte sie durch Muskeln und Sehnen, löste einige Organe auf und bildete sie neu, während die Stacheln sie durchdrangen.
Sofort spürte er, wie die Kraft ihn durchspülte. Sein Körper wurde stärker. Es war mehr als nur eine Hinzufügung neuer Muskeln; so etwas vermochte er durch eine einfache Umgestaltung seines Körpers. Nein, das hier gab jedem Muskel eine zusätzliche, ihm innewohnende Kraft, so dass sie viel besser arbeiteten und viel stärker als gewöhnlich waren.
Die Segnung der Kraft. Er hatte diese beiden Stacheln aus OreSeurs Körper gestohlen. Ohne diese Segnung wäre es TenSoon nie möglich gewesen, Vin während des Jahres, in dem sie zusammen gewesen waren, zu folgen. Jeder Muskel war nun doppelt so stark und ausdauernd wie
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