Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
der Erhebung erlöst hatte.
»Was willst du?«, flüsterte sie.
Du weißt, was ich will. Du hast es schon immer gewusst.
Sie wusste es. Sie hatte es in dem Augenblick gespürt, in dem sie das Ding berührt hatte. Sie nannte es Ruin. Es hatte sehr einfache Wünsche. Es wollte dafür sorgen, dass die Welt zu ihrem Ende kam.
»Ich werde dich aufhalten«, sagte sie. Doch es fiel ihr schwer, sich nicht närrisch zu fühlen, während sie diese Worte an eine Macht richtete, die sie nicht verstand – an ein Ding, das jenseits der Menschen und jenseits der Welten existierte.
Es lachte wieder, doch diesmal ertönte der Laut nur in Vins Kopf. Sie spürte noch Ruins Pulsieren, aber es kam nicht mehr von einem bestimmten Ort. Es umgab sie. Sie zwang sich, eine aufrechte Haltung einzunehmen.
Ah, sagte Ruin in beinahe väterlichem Tonfall. Du verhältst dich, als wäre ich dein Feind.
»Du bist mein Feind. Du willst alles vernichten, was ich liebe.«
Ist das Ende immer schlecht?, fragte es. Müssen nicht alle Dinge – sogar Welten – irgendwann enden?
»Es gibt keinen Grund, dieses Ende zu beschleunigen«, sagte Vin. »Keinen Grund, es zu erzwingen.«
Alle Dinge unterliegen ihrer eigenen Natur, Vin, wandte Ruin ein, der sie nun zu umfließen schien. Sie spürte seine Berührung – feucht und zart, wie die des Nebels. Du kannst mich nicht für das verantwortlich machen, was ich bin. Ohne mich würde nichts enden. Nichts könnte enden. Und deshalb könnte nichts wachsen. Ich bin das Leben. Willst du etwa gegen das Leben selbst kämpfen?
Vin erwiderte nichts.
Trauere nicht, weil der Tag gekommen ist, an dem diese Welt untergeht, fuhr Ruin fort. Dieses Ende war seit dem Tag der Erschaffung vorherbestimmt. Es liegt Schönheit im Tod – die Schönheit der Endgültigkeit; die Schönheit der Vollendung.
Denn nichts ist wirklich vollendet, bis der Tag kommt, an dem es vernichtet wird.
»Genug«, fuhr Vin ihn an. Sie fühlte sich allein und wie zerschlagen in der kalten Dunkelheit. »Höre auf, mich zu verhöhnen. Warum bist du hergekommen?«
Hergekommen?, fragte er zurück. Warum fragst du das?
»Wieso erscheinst du gerade jetzt?«, wollte Vin wissen. »Bist du gekommen, um dich an meiner Gefangenschaft zu weiden?«
Ich bin nicht »erschienen«, Vin, sagte Ruin. Ich bin nie weg gewesen. Ich bin immer bei dir. Ein Teil von dir.
»Unsinn«, sagte Vin. »Du hast dich mir erst jetzt gezeigt.«
Ja, ich habe mich deinen Augen gezeigt. Aber ich sehe, dass du es nicht verstehst. Ich bin immer bei dir gewesen, auch wenn du mich nicht sehen konntest.
Er verstummte, und Schweigen setzte ein – sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Kopfes.
Wenn du allein bist, kann niemand dich verraten, flüsterte schließlich eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Reens Stimme.
Es war die beinahe wirkliche Stimme, die sie bisweilen hörte, fast wie ein Gewissen. Sie hatte es als gegeben hingenommen, dass die Stimme ein Teil von ihr war — ein Überbleibsel von Reens Lehren. Ein Instinkt.
Jeder wird dich verraten, Vin, sagte die Stimme und wiederholte damit einen Rat, den sie häufig gab. Doch als sie sprach, wurde aus Reens Stimme allmählich die von Ruin. Jeder.
Ich bin immer bei dir gewesen. Du hörst mich in deinem Kopf seit deinen ersten Lebensjahren.
Ruins Entkommen verlangt nach einer Erklärung. Das ist eine Sache, deren Verständnis sogar mir Schwierigkeiten bereitet hat.
Ruin konnte die Macht bei der Quelle der Erhebung nicht benutzen. Sie gehörte Bewahr, seinem Gegner. Eine unmittelbare Konfrontation der beiden Kräfte hätte ihre Vernichtung nach sich gezogen.
Doch Ruins Gefängnis bestand aus dieser Macht. Daher war sie auf die Macht von Bewahr abgestimmt – auf die Macht der Quelle. Als diese Macht freigelassen und zerstreut wurde, anstatt benutzt zu werden, wurde sie zum Schlüssel. Das darauffolgende »Aufschließen« war der Akt, der Ruin befreite.
Kapitel 46
I n Ordnung«, sagte Weher, »will jemand eine Vermutung darüber äußern, wie der Spion unserer Mannschaft zu einem pseudo-religiösen Freiheitskämpfer werden konnte?«
Sazed schüttelte den Kopf. Sie saßen in ihrem Höhlenversteck unter dem Amt für Inquisition. Weher hatte verkündet, er sei den Reiseproviant leid, und hatte deshalb einigen Soldaten befohlen, ein paar Speisen aus der Höhle zu nehmen und daraus schmackhaftere Mahlzeiten zuzubereiten. Zuerst wollte Sazed etwas dagegen einwenden, doch die Höhle war so gut bestückt, dass sogar ein wild
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