Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Spukis Augen so empfindlich geworden waren. Drogen vielleicht?
Wie dem auch sei, Sazeds Sorgen über die gegenwärtigen Ereignisse hielten ihn vom Studium der Nelazan-Religion ab. Er hatte beständig den Eindruck, dass sich gerade etwas sehr Wichtiges abspielte. Und Spuki stand im Mittelpunkt all dessen.
Wo war der Junge?
»Ich weiß, warum du so traurig bist«, sagte Spuki.
Beldre drehte sich um; Entsetzen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Zuerst sah sie ihn nicht. Offenbar stand er zu tief in
den Nebelschatten. Es wurde immer schwerer für ihn, das abzuschätzen.
Er trat einen Schritt vor und durchquerte das Stück Land, das einmal ein Garten vor dem Haus des Ersten Bürgers gewesen war. »Ich habe es erkannt«, sagte Spuki. » Zuerst habe ich geglaubt, deine Traurigkeit hätte etwas mit diesem Garten zu tun. Er muss wunderschön gewesen sein. Du wirst ihn in seiner ganzen Pracht gesehen haben, bevor dein Bruder befohlen hat, alle Gärten unterzupflügen. Du hast zum Adel gehört und vermutlich in dessen Kreisen gelebt.«
Diese Worte schienen sie zu überraschen.
»Ja, ich weiß«, sagte Spuki. »Dein Bruder ist ein Allomant. Er ist ein Münzwerfer; ich habe sein Drücken gespürt. An jenem Tag in der Marktgrube.«
Sie schwieg weiterhin – und war schöner, als es der Garten je hätte sein können –, aber sie machte einen Schritt zurück, als sie ihn endlich inmitten des Nebels erblickt hatte.
»Aber am Ende«, fuhr Spuki fort, »habe ich erkannt, dass ich mich geirrt hatte. Niemand trauert so sehr um einen einfachen Garten, egal wie schön er war. Danach habe ich geglaubt, die Traurigkeit in deinen Augen rührte daher, dass du nicht an den Ratssitzungen deines Bruders teilnehmen darfst. Er schickt dich immer in den Garten hinaus, wenn er sich mit seinen wichtigsten Beamten trifft. Ich weiß, wie es ist, wenn man sich nutzlos und ausgeschlossen fühlt.«
Er machte noch einen Schritt nach vorn. Die raue Erde lag zerrissen unter seinen Füßen, bedeckt von einer zolldicken Schicht aus Asche. Es war der trostlose Überrest eines einstmals fruchtbaren Bodens. Rechts von ihm erhob sich das einsame Gebüsch, das Beldre so oft ansah. Er schenkte der Pflanze keinen Blick, sondern beobachtete weiterhin Beldre.
»Aber ich hatte mich geirrt«, sagte er. »Das Verbot, an den Besprechungen deines Bruders teilzunehmen, hätte vielleicht
zu Enttäuschung, nicht aber zu solchem Schmerz geführt. Und nicht zu solchem Bedauern. Jetzt kenne ich diese Trauer. Heute Nachmittag habe ich zum ersten Mal getötet. Ich habe beim Sturz des alten Reiches und bei der Errichtung des neuen mitgeholfen. Aber ich hatte noch nie einen Menschen getötet. Bis zum heutigen Tag.«
Er hielt inne und sah ihr in die Augen. »Ja, ich kenne diese Trauer. Ich versuche herauszufinden, warum du dich so fühlst.«
Sie wandte sich ab. »Du solltest nicht hier sein«, sagte sie. »Hier sind Wächter …«
»Nein«, sagte Spuki. »Nicht mehr. Quellion hat zu viele in die Stadt geschickt. Er hat Angst, dass eine Revolution bevorsteht, wie damals in Luthadel. Wie damals, als er hier die Macht ergriffen hat. Er hat jeden Grund, Angst zu haben, aber es war ein Fehler, diesen Palast so schlecht bewacht zurückzulassen.«
»Töte ihn«, flüsterte Kelsier. »Quellion ist dort drinnen; jetzt ist die beste Gelegenheit dazu. Er hat es verdient; das weißt du.«
Nein, dachte Spuki. Nicht heute. Nicht vor ihren Augen.
Beldre sah ihn an, und eine gewisse Härte stahl sich in ihren Blick. »Warum bist du hergekommen? Willst du mich verspotten? «
»Ich will dir sagen, dass ich dich verstehe«, erwiderte Spuki.
»Wie kannst du das sagen?«, fragte sie. »Du verstehst mich nicht. Du kennst mich nicht.«
»Ich glaube doch«, entgegnete Spuki. »Ich habe heute deine Augen gesehen, als du zugeschaut hast, wie diese Menschen in den Tod marschiert sind. Du fühlst dich schuldig. Schuldig für die Morde deines Bruders. Du trauerst, weil du fühlst, dass du in der Lage sein solltest, ihm Einhalt zu gebieten.« Er machte noch einen Schritt nach vorn. »Aber das kannst du nicht, Beldre. Seine Macht hat ihn verdorben. Er mag früher einmal ein guter Mensch gewesen sein, aber jetzt ist er es nicht mehr. Begreifst du, was er tut? Dein Bruder tötet Menschen, nur damit
er an Allomanten herankommt. Er nimmt sie gefangen und droht damit, ihre Familien umzubringen, wenn sie nicht das tun, was er von ihnen verlangt. Sind das die Taten eines guten Menschen?«
»Du bist
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