Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Stirn kraus. »So ist das in der Politik nun einmal. Sazed, der Neffe dieses Mannes hat eine Koloss-Armee losgeschickt, damit sie Luthadel zerstört! Er kann von Glück reden, dass Elant nicht als Vergeltungsmaßnahme seine ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht hat. Wir haben die größeren Armeen, mehr Rohstoffe und bessere Allomanten. Diesem Volk hier wird es viel bessergehen, sobald Lekal den Vertrag unterzeichnet. Was ist los mit dir, mein Guter? Diese Punkte hast du doch allesamt schon vor zwei Tagen am Verhandlungstisch vorgebracht.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Graf Weher«, sagte Sazed. »Ich … scheine in der letzten Zeit widersprüchliche Gefühle zu hegen.«
Zuerst gab Weher darauf keine Antwort. Schließlich fragte er: »Es tut immer noch weh, nicht wahr?«
Dieser Mann kann die Gefühle der anderen viel zu gut verstehen, dachte Sazed. »Ja«, flüsterte er.
»Es wird aufhören«, beruhigte Weher ihn. »Irgendwann.«
Wirklich?, dachte Sazed und wandte den Blick ab. Es war nun schon ein Jahr her. Aber es fühlte sich noch immer an, als ob nichts je wieder in Ordnung sein würde. Manchmal fragte er sich, ob er sich nur deshalb in die Religionen vertiefte, weil er sich vor seinen eigenen Schmerzen verstecken wollte.
Wenn das so war, dann hatte er die falsche Methode gewählt, denn der Schmerz war beständig da. Er hatte versagt. Nein, sein Glaube hatte versagt, hatte ihn verlassen. Nichts war ihm geblieben.
Das war alles. Es war alles verloren.
»Sieh mal«, sagte Weher und zog damit Sazeds Aufmerksamkeit wieder auf sich, »das Herumsitzen und Warten auf Lekals Entscheidung macht uns offensichtlich nervös. Warum reden wir nicht über etwas anderes? Wie wäre es, wenn du mir etwas über eine der Religionen erzählst, die du gespeichert hast? Du hast schon seit Monaten nicht mehr versucht, mich zu bekehren! «
»Ich trage meine Kupfergeister schon seit fast einem Jahr nicht mehr, Weher.«
»Aber du erinnerst dich bestimmt noch an das eine oder andere«, wandte Weher ein. »Warum versuchst du mich nicht zu bekehren? Du weißt schon, um der alten Zeiten willen und so weiter.«
»Ich glaube, das ist keine gute Idee, Weher.«
Es war für ihn wie ein Verrat. Als Bewahrer – als Ferrochemiker aus Terris – konnte er Erinnerungen in Kupferstücken speichern und sie später wieder hervorholen. Zu Zeiten des Letzten Reiches hatten sich Sazed und seine Gefährten unter großen Gefahren bemüht, so viele Informationen wie möglich zu sammeln – nicht nur über Religionen. Sie hatten jede einzelne Information über die Zeit vor dem Letzten Herrscher gesammelt, die sie auftreiben konnten. Sie hatten alles gespeichert, an andere weitergegeben und dabei auf die Genauigkeit ihrer Ferrochemie vertraut.
Doch sie hatten nie das gefunden, was sie am dringendsten suchten – das, womit ihre Suche begonnen hatte: die Religion des Volkes von Terris. Sie war vom Obersten Herrscher im ersten Jahrhundert seiner Regierung ausgelöscht worden.
So viele hatten gearbeitet, hatten geblutet und waren gestorben, damit Sazed die gewaltigen Informationsmengen bekommen konnte, die er ererbt hatte. Und er hatte sie beiseitegelegt. Nachdem er sich Notizen über jede einzelne Religion gemacht und die Blätter beschrieben hatte, die sich nun in seiner Mappe befanden, hatte er jeden seiner Metallgeister abgenommen und eingelagert.
Sie schienen ihm keine Bedeutung mehr zu haben. Manchmal schien einfach nichts mehr eine Bedeutung zu haben. Er versuchte, nicht allzu viel darüber nachzudenken, doch dieser Gedanke tauchte immer wieder auf; er war furchtbar und nicht zu vertreiben. Sazed fühlte sich schmutzig, unwürdig. Soweit er wusste, war er der letzte lebende Ferrochemiker. Sie besaßen nicht mehr die Mittel für ihre Suche, und im ganzen letzten Jahr war kein Bewahrer mehr durch Elants Reich gezogen. Wie alle Haushofmeister aus Terris war auch Sazed als Kind kastriert worden. Die vererbliche Gabe der Ferrochemie würde also vermutlich mit ihm aussterben. Vielleicht gab es noch schwache Spuren von ihr im Volk von Terris, doch angesichts der Bemühungen des Obersten Herrschers, sie wegzuzüchten, und wegen der Vernichtung der Synode sah es nicht mehr gut aus.
Die Metallgeister blieben eingelagert. Zwar nahm er sie auf seine Reisen mit, aber er benutzte sie nie. Er bezweifelte, dass er sie je wieder hervorholen würde.
»Also?«, fragte Weher, während er aufstand und sich gegen das Fenster neben Sazed lehnte. »Willst du
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