Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Boden.
Nichts geschah.
Jetzt!, dachte Vin und versuchte, die Macht des Nebels in sich einzusaugen. Entsetzen machte sich in ihr breit, als Marsch über ihr aufragte, eine schwarze Gestalt in der Nacht. Bitte!
Bisher hatte ihr der Nebel jedes Mal geholfen, wenn sie völlig am Ende gewesen war. Das war ihr Plan, auch wenn er sehr gefährlich war. Sie wollte sich in größere Gefahr denn je begeben und dann darauf hoffen, dass der Nebel ihr half. So wie es schon zweimal der Fall gewesen war.
Marsch kniete über ihr. Bilder flackerten wie Lichtblitze durch ihren müden Geist.
Camon, wie er die fleischige Hand hob, um sie zu schlagen. Regen, der auf sie niederprasselte, als sie sich in eine dunkle Ecke kauerte und ihre Seite von einer tiefen Wunde schmerzte. Zane, wie er sich zu ihr umdrehte, als sie auf der Festung Hasting standen und ihm das Blut in einem langsamen Rinnsal an der Hand heruntertropfte.
Vin versuchte über die glatten, kalten Pflastersteine wegzurutschen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr ganz. Sie konnte kaum noch kriechen. Marsch rammte die Faust gegen ihr Bein, zerschmetterte den Knochen, und sie schrie vor Entsetzen und eisigem Schmerz auf. Kein Weißblech dämpfte den Schlag. Sie versuchte sich aufzurichten und einen von Marschs Stacheln zu ergreifen, doch er packte ihr Bein – das gebrochene – , und ihre eigenen Bemühungen führten dazu, dass sie unter unsäglichem Schmerz aufbrüllte.
Jetzt fangen wir an, sagte Ruin mit seiner freundlichen Stimme. Wo ist das Atium, Vin? Was weißt du darüber?
»Bitte …«, flüsterte Vin und griff in den Nebel. »Bitte, bitte, bitte ….«
Doch der Nebel antwortete nicht. Früher hatte er sich spielerisch um ihren Körper geschmiegt, doch jetzt zog er sich zurück. Wie er es das gesamte letzte Jahr hindurch getan hatte. Sie weinte, griff nach den Schwaden, aber sie wichen ihr aus. Sie mieden Vin wie eine Aussätzige.
Genauso behandelte der Nebel die Inquisitoren.
Die Kreaturen erhoben sich, umgaben sie, ihre Umrisse zeichneten sich schwarz in der finsteren Nacht ab. Marsch zerrte sie wieder auf sich zu und griff nach ihrem Arm. Sie hörte den Knochen brechen, bevor sie den Schmerz spürte. Dann kam er, und sie schrie auf.
Es war lange her, seit sie zum letzten Mal gefoltert worden war. Das Leben auf der Straße war nicht freundlich zu ihr gewesen, doch während der letzten Jahre hatte sie den meisten dieser Erfahrungen aus dem Weg gehen können. Sie war zu einer Nebelgeborenen geworden. Mächtig. Beschützt.
Diesmal aber nicht, erkannte sie durch den Schleier ihres Schmerzes hindurch. Diesmal wird Sazed nicht kommen. Und Kelsier wird mich nicht retten. Sogar der Nebel hat mich verlassen. Ich bin allein.
Ihre Zähne klapperten, und Marsch hob ihren anderen Arm. Er sah mit seinen Augenstacheln auf sie herunter; sein Gesichtsausdruck war undeutbar. Dann brach auch dieser Knochen.
Vin kreischte – mehr aus Entsetzen als vor Schmerz.
Marsch sah ihr beim Schreien zu und lauschte den süßen Tönen. Lächelnd griff er nach dem ungebrochenen Bein. Hoffentlich hielt Ruin ihn nicht zurück. Hoffentlich durfte er sie töten. Er lehnte sich gegen seine Fesseln auf und gierte danach, ihr noch mehr anzutun.
Nein … dachte ein winziger Teil von ihm.
Der Regen fiel; es war eine wundervolle Nacht. Die Stadt Luthadel lag in ihrem schönsten Totenkleide da und schwelte. Trotz der nassen Nacht brannten noch einige Viertel. Wie sehr er sich wünschte, rechtzeitig eingetroffen zu sein und die Aufstände und das Sterben gesehen zu haben! Er lächelte; die leidenschaftliche Liebe zum Töten erhob sich in ihm.
Nein, dachte er.
Irgendwie wusste er, dass das Ende sehr nahe war. Der Boden unter seinen Füßen erbebte, und er musste sich mit einer Hand abstützen, bevor er sein Werk weiterführen und Vins anderes Bein brechen konnte. Der letzte Tag war da. Die Welt würde diese Nacht nicht überleben. Er lachte freudig, befand sich in den Fängen seiner Blutlust und hatte sich kaum mehr in der Gewalt, während er Vins Körper zerschmetterte.
NEIN!
Marsch erwachte. Obwohl sich seine Hände noch so bewegten, wie es ihm befohlen war, lehnte sich sein Verstand auf. Er betrachtete die Asche, den Regen, das Blut und den Ruß, und es ekelte ihn an. Vin lag beinahe tot vor ihm.
Kelsier hat sie wie seine Tochter behandelt, dachte er, als er ihr die Finger brach, einen nach dem anderen. Sie schrie. Die Tochter, die er mit Mare nie haben konnte.
Ich habe
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