Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
glauben konnte, befanden sich weitere Mitglieder von Elants Mannschaft auf dem Weg nach Urteau. Vermutlich hatten sie den Auftrag, die Vorräte in der Höhle zu sichern und die Rebellion zu ersticken. Spuki musste so viel wie möglich herausfinden, bevor sie eintrafen.
Er überdachte seine Pläne. Er spürte Schritte in den Zimmern in seiner Nachbarschaft; das hölzerne Gebäude schien zu erzittern wie ein gewaltiger Bienenstock voller geschäftiger Arbeiterinnen. Von draußen hörte er rufende, sprechende, schreiende Stimmen. Schwach erklangen Glocken. Es war noch früh, kaum nach Mittag, aber der Nebel würde inzwischen verschwunden sein. Urteau hatte etwa sechs oder sieben Stunden nebelloses Tageslicht und war daher ein Ort, an dem das Getreide noch wuchs und die Menschen noch leben konnten.
Für gewöhnlich schlief Spuki, solange es hell war. Doch nun musste er einiges erledigen. Er öffnete die Augen, tastete hinüber
zu seinem Nachttisch und nahm von ihm eine Brille. Sie war eine Sonderanfertigung und besaß Gläser, die seine Sicht nicht veränderten. Sie bestanden aus einfachem Fensterglas.
Er setzte sie auf, band sich wieder das Tuch um den Kopf und bedeckte auf diese Weise die Gläser vorn und an den Seiten. Auch mit seinen geschärften Sinnen vermochte er nicht durch seine eigenen Augenlider zu schauen. Doch wenn er die Brille aufgesetzt hatte, konnte er die Augen öffnen und gleichzeitig das Tuch tragen. Er ertastete sich seinen Weg zum Fenster, entfernte den Stoff und warf die Läden auf.
Er badete in heißem, beinahe versengendem Tageslicht. Das Tuch biss in seine Kopfhaut. Aber er konnte sehen. Der Stoff verdunkelte das Licht gerade genug, damit er nicht geblendet wurde, aber er war so durchscheinend, dass Spuki etwas zu erkennen vermochte. Eigentlich war es wie im Nebel. Das Tuch war für ihn beinahe unsichtbar, denn sein Blick war über alle Maßen geschärft. Sein Geist filterte einfach die Beeinträchtigung durch den Stoff heraus.
Spuki nickte, nahm seinen Duellstab und verließ das Zimmer.
»Ich weiß, dass du einer von den Stillen bist«, sagte Durn und klopfte leise mit einem Paar Stecken vor Spuki auf den Boden. »Aber selbst du musst zugeben, dass das besser ist, als unter den Grafen zu leben.«
Spuki saß in einem Straßenschacht mit dem Rücken an die Steinmauer gelehnt, die den Kanal begrenzt hatte. Er hielt den Kopf ein wenig geneigt. Die Marktgrube war der breiteste der Straßenschächte von Urteau. Früher war er eine Wasserstrasse gewesen, in deren Mitte drei Schiffe nebeneinander hatten ankern können, und noch immer war an beiden Seiten Platz für vorbeifahrende Boote gewesen. Nun war er zur Hauptstraße der
Stadt geworden, was ihn für Händler und Bettler gleichermaßen interessant machte.
Für Bettler wie Spuki und Durn. Sie saßen am Rande des Schachtes, und die Häuser ragten über ihnen wie Festungen auf. Nur wenige Passanten beachteten die abgerissenen Passanten. Niemand blieb stehen und bemerkte, dass einer von ihnen die Menge trotz des dunklen Stoffs über seinen Augen sorgsam beobachtete, während der andere viel zu gebildet sprach, um in der Gosse aufgewachsen zu sein.
Spuki erwiderte nichts auf Durns Frage. In seiner Jugend hatte seine Art zu reden – sein schwerer Akzent und seine Umgangssprache – ihn gebrandmarkt, und die Leute hatten sich nicht um ihn gekümmert. Auch jetzt hatte er noch keine schlagfertige Zunge und keine so charmante Art wie Kelsier. Deshalb versuchte Spuki so wenig zu sagen wie möglich. Auf diese Weise verringerte er die Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten.
Doch seltsamerweise schenkten ihm die Leute größere Aufmerksamkeit, wenn er nicht redete. Durn klopfte weiterhin seinen Rhythmus wie ein Straßenmusiker ohne Publikum. Niemand konnte es auf dem erdigen Boden hören – außer Spuki.
Durns Rhythmus war perfekt. Jeder Sänger hätte ihn darum beneidet.
»Ich mein, sieh dir doch bloß mal den Markt an«, fuhr Durn fort. »Unter dem Obersten Herrscher konnten die meisten Skaa keinen offenen Handel treiben. Hier haben wir etwas Wunderschönes. Skaa regieren Skaa. Wir sind glücklich.«
Spuki konnte den Markt sehen. Für ihn hatte es den Anschein, als wären die Menschen tatsächlich glücklich; sie lächelten, anstatt dauernd den Blick zu senken. Sie kauften ein, bummelten umher und nahmen nicht einfach schnell das, was sie brauchten, um dann sofort weiterzuhasten. Aber wenn die Stadt wirklich das glückliche Utopia wäre, das es
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