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Herrscher über den Abgrund

Herrscher über den Abgrund

Titel: Herrscher über den Abgrund
Autoren: Andre Norton
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reichte Sander wieder den Werfer und gab ihm einen Rat.
    „Töte nicht, es sei denn, man zwingt dich dazu. Sonst werden sie vielleicht rachsüchtig.“
    „Wieso weißt du das?“
    „Ich weiß es nicht – nein, erklären kann ich es nicht …“ Sie schien ähnlich verwirrt wie die Flußbewohner über den Pfeil. „Es ist eben genauso, wie ich auch die Gedanken meiner Pelzigen kenne. Sie sind erschreckt, sie fürchten sich. Aber ich glaube, Haß wird ihre Furcht verschwinden lassen. Dann ist es ihnen gleichgültig, wie viele von ihnen sterben, wenn sie uns nur erreichen können. Jetzt haben sie noch eine geteilte Meinung: sie glauben halb und halb, daß sie uns nicht jagen können.“
    Sander schien es ziemlich unwahrscheinlich, daß das Mädchen dies so sicher wissen sollte. Sie riet zweifellos. Und doch verschoß er keinen weiteren Pfeil, auch wenn sich ihm ein lohnendes Ziel darbot. Er würde das Ergebnis der gequakten Unterredung abwarten, um zu sehen, was die Feinde als nächstes vorhatten.

Das tote Schiff

    Aber endlich bewegte sich die Gruppe der Wasserwesen. Zwei hockten sich auf die Hinterbeine und reckten ihre Speere in den Himmel, während die übrigen auf den Fluß zuhopsten.
    Sander glitt vom Felsen. Jetzt war der Moment gekommen, wo sie fliehen mußten. Er vermutete, daß die Feinde nur verschwunden waren, um Verstärkung zu holen. Die beiden, die sie zurückgelassen hatten, würden keine Bedrohung darstellen: mit denen konnten sie fertig werden, falls sie sie verfolgen sollten.
    Fanyi stimmte seinem Vorschlag zu. Sie stand aufrecht, den Anhänger in der Hand, und blickte nach Nordwesten, also den Fluß hinauf, dem sie einen Tag lang gefolgt waren.
    „Wir werden uns entfernt vom Fluß halten müssen“, warnte Sander. „Wasser ist ihr Element, und das werden sie zu nutzen wissen.“ Zum Glück hatte er am Morgen, bevor sie den Fluß überquert hatten, den Wassersack gefüllt. Die weite Wüste mit ihrer Sonnenglut würde die Wasserleute abschrecken. Sie würden, wie Sander annahm, freiwillig keine langen Ausflüge in das ausgebrannte Land unternehmen. Überhaupt, entschied Sander für sich, als er mit zusammengekniffenen Augen das Gelände überblickte, war es besser für sie, wenn sie vorsichtiger wären. Seine Leute trieben die Herden bei Nacht und orientierten sich an den Sternen. Diese Kunst beherrschte Sander ebenfalls. Nachts würden sie außerdem Feuer als Waffe haben, so daß sie beinahe so gut wie am Tage vorankommen konnten. Zuvor allerdings mußten sie einen Unterschlupf finden, um dort den Sonnenuntergang zu erwarten.
    Dann sprach er seine Gedanken aus. Fanyis Gesicht verlor dabei den abwesenden Ausdruck, und ihre Finger ließen den Anhänger los.
    „Unsere Seeleute steuern ihre Schiffe auch nach den Sternen“, entgegnete sie langsam. „Und ich glaube, die Hitze, die hier herrscht, würde unsere Reise nur zur Qual machen. Ja, du hast recht.“
    Wieder spürte Sander, wie der Ärger in ihm hochstieg: natürlich hatte er recht! Er mochte den Ton nicht, mit dem sie alles, was er sagte, abwog, um sich dann dafür oder dagegen zu entscheiden. Ihre Behauptung, sie hätte allein durch ihren Willen und ihre Macht ihr Volk beschützt, und es wäre überfallen worden, weil sie abwesend war, schien ihm lächerlich. Mochte sie den Anspruch erheben, eine Zauberpriesterin zu sein, weil sie weissagen konnte – seine Leute jedenfalls glaubten an nichts als an ihre eigenen Entscheidungen und Taten.
    Sie machten sich eilig auf den Weg. Die Tiere bildeten wieder die Nachhut. Rhin trug ihr gesamtes Gepäck außer dem Pfeilwerfer, den Sander schußbereit in der Hand hielt. Zusätzlich hatte sich der Schmied noch ein halbes Dutzend Pfeile in den Gürtel gesteckt. Er wünschte, er hätte noch mehr. Der Verlust der beiden Pfeile, die er bereits verschossen hatte, bedrückte ihn, weil ihm nur noch sehr wenige blieben.
    Rhin rannte trotz seiner schweren Last hin und her, so wie er es im ebenen Gelände tat, wenn er auf Jagd war. Sander blickte sich anfangs noch häufig um. Falls die beiden bewaffneten Amphibien ihnen tatsächlich folgten, nutzten sie jede Deckung so vorzüglich aus, daß sie nicht zu sehen waren. Doch je weiter sie in die salzüberkrustete, abweisende Wüste eindrangen, desto überzeugter war Sander, daß Lebewesen, deren Element das Wasser war, ihnen hierher nicht folgen würden.
    Doch das ließ ihn nicht unvorsichtig werden. Fanyi blickte von Zeit zu Zeit auf ihren Anhänger, als wäre er
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