Herrscher
Ziel?«
»Ich weiß nicht«, sagte Sevren. »Und ganz ehrlich: Bevor ich erfuhr, dass du noch lebst, war es mir egal. Ich habe meinen Freund erst heute Morgen befragt.«
Dar fiel ein, dass nur Kovok-mah und Nagtha-yat ihrem Gespräch folgen konnten, also wandte sich in der Sprache der Orks an ihre Untertanen. »Sevren glaubt, dass der Schwarze Washavoki nicht gestorben ist, sondern noch immer gegen uns kämpft.«
»Dann solltest du nicht mehr allein nach Taiben gehen«, sagte Zna-yat.
»Seit wann, Bruder«, erwiderte Dar sanft, »sagen Söhne den Müttern, was sie tun sollen? Und besonders Großen Müttern?«
»Tut mir leid, Muth Mauk, aber ich musste aussprechen,
was mein Brustkorb empfindet. Was können Klugheit und Tapferkeit denn gegen Zauberei ausrichten? Ich habe Angst um dich.«
»Ich habe auch Angst«, sagte Dar. »Doch welchen Nutzen hat eine Große Mutter, die sich dem Feind nicht stellen kann? Die Washavoki-Königin muss gewarnt werden, denn in der Gefahr, in der sie schwebt, werden bald auch wir schweben.«
»Ich habe alles verstanden, was Sevren gesagt hat«, sagte Kovok-mah. »Doch ich bin nicht sicher, ob der Schwarze Washavoki noch lebt.«
Dar schaute Sevren an und sagte in der Menschensprache: »Das ist ein Argument. Du kannst nicht beweisen, dass Othar noch lebt. Ich bezweifle, dass Girta mir glaubt.«
»Ich werde den Beweis finden. Ich habe dir meine Dienste schon einmal angeboten. Ich erneuere mein Angebot. Lass mich euer Späher in Taiben sein.«
»Zauberer sind gefährliche Gegner«, sagte Dar. »Dein Angebot ist mutig.«
»Und ernst gemeint.« Sevren lächelte. »Selbst wenn es von einem Washavoki kommt.«
»Und ich akzeptiere es.«
»Ich glaube, Zna-yat hat recht, was deinen Besuch im Palast angeht«, sagte Sevren. »Es ist zu gefährlich, besonders wenn Kol in Othars Diensten steht.«
»Ich gehe trotzdem. Die Gelegenheit, mit Girta allein zu sprechen, ist mir das Risiko wert.«
»Angenommen, Othar erwartet dich?«
Dar musste zugegeben, dass diese Möglichkeit bestand. Othar hat einen guten Grund, rachsüchtig zu sein. Trotzdem nahm sie an, dass er, wenn er wirklich noch lebte, in weitreichendere Intrigen verwickelt war und kaum Zeit für kleinliche
Rache hatte. Wenn es so ist, wird er sich sicher nicht offenbaren, indem er mich angreift. Jedenfalls jetzt noch nicht. »Ich glaube, dass ich im Moment noch sicher bin. Es ist deine Aufgabe, mich zu warnen, wenn die Lage sich ändert.«
»Wie soll ich das machen?«
»Ich werde mich zur Mittagsstunde mit Girta treffen. Falls du herausfinden solltest, dass ich nicht mehr sicher bin, erwarte mich auf der Straße, die zum Palast führt.«
»Du gibst mir ja nicht viel Zeit.«
»Ich gebe dir alle Zeit, die ich habe.«
Sevren begab sich zur Ausfallsluke der Stadtmauer und klopfte an die eisenbeschlagene Tür. »Mach auf, Valamar, ich bin’s!«
Es ertönte das Geräusch eines zurückgezogen Riegels, dann schwang die Luke auf und enthüllte einen kurzen dunklen Tunnel. Sevren trat ein; sein Freund schloss und verriegelte die Luke. »Also«, sagte Valamar. »Bist du ihr begegnet?«
»Ja.«
»Und hat sie deine Geschichte geglaubt?«
»Sie möchte mehr Beweise haben.«
»Und wie, in Karms Namen, willst du die kriegen? Angenommen, du hast recht; sobald du auch nur in die Nähe dieses Kerls kommst, wird er dich geistig ausschalten.«
»Der Bettler wusste, dass hier etwas vor sich geht. Ich wette, auch andere wissen davon. Diese Einbrecher und Diebe sind keine Höflinge. Denk an das arme Mädchen.«
»Für mich klingt es, als wolle jemand Unruhe stiften«, sagte Valamar.
»Das hat er schon. Am besten schaut man nach dem Topf, bevor er überkocht.«
35
SOBALD DAS STADTTOR geöffnet war, machte Sevren sich auf zu den elenden Behausungen, die außerhalb standen. Er rechnete nicht damit, willkommen geheißen zu werden, und seine Erwartungen wurden erfüllt: Sein Schwert und seine amtliche Stellung kennzeichneten ihn als Außenseiter und Feind. Obwohl man seinen Fragen auf feindselige Weise auswich, fiel Sevren eine Unruhe auf, deren Ursache nicht sein Auftauchen war: Er sah Furcht in den Augen der Menschen. Zahlreiche Bruchbuden schienen zudem kürzlich aufgegeben worden zu sein.
Nach zahlreichen, zu nichts führenden Begegnungen klopfte er an eine weitere Tür. Da sie unverriegelt war, ging sie sofort auf, als seine Faust sie traf. Sevren warf einen Blick in die Hütte und erwartete, sie leer vorzufinden. Doch er erspähte eine
Weitere Kostenlose Bücher