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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Wein, weil sie wusste, dass es besser war, einen klaren Kopf zu behalten. Da sie niemanden sichtete, mit dem man ein sinnvolles Gespräch hätte führen können, setzte sie
ihre Beobachtungsgabe dazu ein, so viel zu erfahren, wie sie nur konnte.
    Der erste Mensch, der ihre Beachtung fand, war der Prinz. Er war zwar noch ein Kind – ihrer Schätzung nach etwa acht Jahre alt –, doch er bemühte sich, wie ein Mann zu wirken. Er trug wie Kol Schwarz und Gold, doch mehr Gold als der General. Kols Freundschaft mit dem künftigen Monarchen gefiel ihr gar nicht. Als sie sah, wie die beiden sich miteinander unterhielten, wurde ihr klar, dass sie sich sehr gut verstanden. Girta schien von den beiden absolut ignoriert zu werden.
    Die Königin wirkte auf Dar unsicher. Ich glaube, ich ängstige sie, dachte sie. Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, was Kol ihr über mich erzählt hat.
    Girtas Stimmung schien auf ihren Hof abzufärben. Dar hatte während ihrer Tätigkeit im Palast zwar nur ein königliches Bankett erlebt, doch in ihrer Erinnerung war es ganz anders verlaufen als das heutige. Sie erinnerte sich zum Beispiel an mehr und besser gelaunte Gäste. Ein Aspekt hatte sich jedoch nicht verändert: Obwohl Othar nicht mehr hier war, saß noch immer eine schwarz gekleidete Gestalt am Haupttisch. Dar hatte den Eindruck, dass Kols Persönlichkeit den Hof ebenso beeinflusste wie seinerzeit Othar. Er hat Macht. Man sieht es daran, wie die Menschen ihn anschauen.
    Von Dars Gefolge saß niemand am Haupttisch. Auch dies war eine Kränkung, doch Dar nahm an, dass die Orks so glücklicher waren. Sie taten ihr leid, als sie stoisch in ihrem Essen herumstocherten, und sehnte das baldige Ende dieser »Festivität« herbei. Als die Tafelnden sich entspannten, wartete Dar, bis Kol mit dem Prinzen ein Gespräch führte und nahm vorsichtig Girtas Hand. Die Königin zuckte zusammen, doch Dar hielt sie fest.

    »Ich fürchte, dieser pompöse Abend war ein jämmerlicher Beginn für unsere Beziehungen«, sagte Dar. »Doch du musst wissen, dass ich auf Frieden aus bin. Können wir uns morgen treffen? Ich möchte von Frau zu Frau mit dir reden, ohne dass der General dabei ist. Ich werde dir mein Herz öffnen, damit du meine Absichten erkennst.«
    Girta wollte ihre Hand wegziehen.
    »Bitte!«, sagte Dar. »Ich komme allein.«
    »In Ordnung«, sagte Girta. Ihre Stimme verriet ihre Unentschlossenheit. »Komm um die Mittagsstunde. Allein. «
    Dar verneigte sich und ließ Girtas Hand los. »Danke. Ich freue mich, dass du zugestimmt hast.«
     
    Kurz nachdem Dar sich mit Girta unterhalten hatte, endete das Bankett. Die Monarchinnen wünschten sich höflich eine Gute Nacht, tauschten jedoch sonst keine Worte mehr aus. Dars sämtliche Hoffnungen galten der Begegnung am nächsten Tag. Als sie den Palast verließ, war sie sich hinsichtlich der Zukunft ebenso unsicher wie bei ihrer Ankunft.
    Sie schritt durch die leeren Straßen Taibens, bis sie ans Stadttor kam. Man hatte es für die Nacht geschlossen, doch die Männer der Königin öffneten es und ließen sie und die Orks passieren. Als Dar sich außerhalb der Stadtmauern befand, atmete sie die reine Luft ein und seufzte. »Ich bin froh, dass es vorbei ist«, sagte sie.
    »Wie hat man dich aufgenommen?«, fragte Zna-yat.
    »Ängstlich«, erwiderte sie. »Ich muss der Königin die Furcht nehmen.«
    »Und wie?«, fragte Zna-yat.
    »Ich werde mich mit ihr allein treffen.«
    »Ist das sicher?«, fragte Kovok-mah.

    »Du bist dann allein«, sagte Zna-yat. »Aber die Washavoki-Königin nicht. Unsere letzte Große Mutter wurde in ihrem Palast gefangen gehalten.«
    »Ich spüre zwar Zaghaftigkeit in der Washavoki-Königin«, sagte Dar, »aber keine …« Sie hielt inne. Sie hatte »Tücke« sagen wollen, doch dafür gab es keinen orkischen Begriff. »… keine Grausamkeit. Ich glaube, ich bin bei ihr sicher.«
    Die Nacht war kalt. Dar war bestrebt, schnell die warme Kaserne zu erreichen. Der Mann, der vor der Stadtmauer stand, fiel ihr gar nicht auf. Er regte sich nicht unter seinem Umhang, doch er beobachtete sie sehr genau. Erst als Dar und die Orks das Kasernengelände betraten, eilte er hinter ihnen her.
     
    Die kasernierten Orks konnten es kaum erwarten zu hören, wie der Abend verlaufen war. Dar zog ihre Stiefel aus, legte den Goldanhänger und das Hemd ab und nahm im Schneidersitz vor der Feuerstelle Platz, um über das Bankett zu berichten.
    Da ihre Zuhörer nur ein mangelhaftes Verständnis für

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