Herrscher
bis seine Untergebenen sich gründlich verirrt hatten. Erst von da an
zeigte er eine gewisse Bereitschaft, Hilfe von ihr anzunehmen. Während die Schildron wartete, zog Dar die übergroßen schweren Stiefel aus und erstieg eine zum Teil stehen geblieben Mauer, die nun Ähnlichkeit mit einer schmalen Treppe hatte. Oben hatte sie einen vorzüglichen Ausblick. Dar sah, dass das Dachgewölbe der Küche in großen Teilen noch erhalten war; zudem quoll Rauch aus einem Küchenschornstein. Sie stieg hinab.
»Tolum, ich glaube zu wissen, wo unser Mann ist. Ich führe euch hin.« Nachdem sie die Stiefel wieder angezogen hatte, ging sie den Männern durch die mit Schutt übersäten Zimmer und Flure in Richtung Küche voran. Sie lag im älteren Flügel des Gebäudes, der offenbar weniger starke Schäden davongetragen hatte. Zumindest war so viel übrig, dass sie den Weg finden konnte. Mit einem Wink hielt sie die Männer zurück, sobald sie einen inzwischen ebenfalls dachfreien Flur kurz vor dem Kücheneingang betrat. »Dort in der nächsten Räumlichkeit könnte Kol sein«, raunte sie dem Tolum zu. »Aber sei gewarnt, wahrscheinlich ist er nicht allein.«
»Ist mir klar«, sagte Farnar.
»Der Zauberer hat die Macht …«
»Männer«, rief Farnar, »der Verräter ist nah! Erschlagt ihn und all seine Spießgesellen! Vorwärts und drauf!«
Die Schildron zückte die Schwerter und stürmte in die Küche. Dar lauschte nach Kampflärm, doch einige Augenblicke blieb es unheilvoll still. Dann hörte sie Rufe der Verwirrung und Schwertergeklirr. Aus dem dringlichen Wunsch, einen Eindruck des Geschehens zu erlangen, wollte sie schon um den Türrahmen lugen, da bemerkte sie eine günstigere Möglichkeit: Am Ende des Gangs waren Abschnitte des Gemäuers und Daches eingestürzt und hatten einen hohen
Schuttberg gebildet. Von dessen Scheitelpunkt aus, vermutete Dar, hatte sie Einblick in die Küche. Sie stieg den Trümmerhaufen hinauf und spähte in die Räumlichkeit auf der anderen Seite.
Die Küche war groß, und obwohl das herabgestürzte Dach einen weiten Bereich des Fußbodens verschüttet hatte, waren einige Bereiche frei geblieben. Und dort entfaltete sich gegenwärtig ein höchst ungewöhnliches Schauspiel: Othar saß nicht in, sondern auf seiner Sänfte. Daneben stand ein großer Eisenkessel auf einem Feuer. Ein Mann in schwarzer Kutte rührte ihn um. Dem Geruch zufolge ließ sich das, was in dem Kessel köchelte, nicht verzehren. An Othars Sänfte stand mit blankem Schwert Kol und hielt sich wohl bereit, ihn zu verteidigen. Er hatte sich so aufgestellt, dass er Othar den Rücken zuwandte. Weitere Männer in schwarzen Kutten lagen tot auf dem Fußboden.
Aber noch wurde ein Gefecht ausgetragen. Zu Dars völliger Verblüffung bekämpften die Angehörigen von Farnars Schildron sich gegenseitig.
Der Tolum focht gegen die eigenen Männer, jedoch ohne Zeichen irgendeines Gefühls. Die Männer, die auf seiner Seite kämpften, bewahrten ebenso ausdruckslose Mienen, wenn sie ihre Kameraden erschlugen. Einem war ein Arm fast abgetrennt worden, doch schien er die Verletzung nicht zu spüren.
Voller Schrecken erkannte Dar, dass Othar den Geist der Angreifer zu übernehmen versuchte. Obwohl bislang in der Minderzahl, sah es so aus, als gewännen Othars Verteidiger die Oberwand, da ihre früheren Kameraden sich etwas zögerlich gegen sie wehrten. Innerhalb kurzer Frist gab es in der Küche mehr Tote als Lebende.
Endlich durchschauten die restlichen Männer der Schildron,
die noch Herr ihrer selbst waren, die Lage und setzten sich nun mit verzweifelter Wildheit zur Wehr. Auf beiden Seiten fielen weitere Kämpfer. Manchmal streifte der Blick eines noch Unversklavten Othar, und sofort wechselte er die Seite. Dar beobachtete alles voller Grauen, konnte aber den Blick einfach nicht abwenden. Bald schlugen sich in der Küche nur noch ein Dutzend Kämpfer. Dann noch sieben. Dann fünf.
Dar spürte, dass Othar sie anstarrte. Sie vermied es sorgfältig, ihn anzuschauen. Doch selbst ohne in seine Richtung zu sehen, spürte sie seinen Blick. Er brannte auf ihrer Haut wie die Hitze eines Feuers. Sein lodernder Hass wollte sie zwingen, seinen Blick zu erwidern. Ein vernunftwidriger Drang, in seine glühenden Augen zu schauen, drohte Dar zu überwältigen. Um ihm zu widerstehen, musste Dar ihre gesamte Willenskraft aufbieten.
Der nächste Söldner fiel. Und ein weiterer. Blut bedeckte den ganzen Fußboden. Ein Mann glitt darin aus. Das Missgeschick
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