Herrscher
ihre fahlen Gesichter. Unter ihnen befanden sich auch Balten und Lokung. Ihre Gesichter zuckten pausenlos, vereister Seiber bedeckte ihr Kinn. General Voltar war inzwischen umgekommen. Seine Stelle hatte ein Soldat von strammer Gestalt eingenommen, der ebenso ausdruckslos wie die anderen Versklavten vor sich hinglotzte.
Gorm verließ das kleine Zelt, als er Kol und Wulfar kommen hörte. Achtsam hielt Kol den Blick auf Gorm gerichtet und vermied es, zur geschlossenen Sänfte zu schauen. Sein Begleiter kannte diesen Kniff nicht. Als Kol das Geräusch des hölzernen Schiebefensters und ein leise, raue Stimme vernahm, wusste er, Wulfar war verloren.
»Was führt dich her?«, fragte Gorm.
»Das Heer ergibt sich den Orks«, sagte Kol.
»Was?«, rief Gorm. Kol konnte nicht unterscheiden, ob der Ausruf mehr nach Wut oder nach Entsetzen klang.
»Dar hat Königin Girta zum König gebracht und alle Offiziere gegen mich aufgewiegelt. Der König hat mich zum Tode verurteilt. Gerade hat Othar den Mann versklavt, der mich gerettet hat.« Kol wusste, dass Gorm dem Geist Wulfars die Freiheit wiedergeben konnte, doch da Gorm es nicht von sich aus anbot, verzichtete er darauf, diese Gunst zu erbitten. »Nun kann nur noch Zauberei das Blatt wenden.«
»Was verstehst denn du von Zauberei?«, fragte Gorm.
Aus der Sänfte drang eine Stimme, deren abgrundtiefe Gehässigkeit sogar Kol erschütterte. »Dar! Ich will das elende Weib in meiner Gewalt sehen. Sie soll leiden.«
Kol erkannte seine Gelegenheit. »Ich kann sie fangen.«
»Wie?«, fragte die Krächzstimme.
»Ich kenne sie. Bestimmt nimmt sie die Verfolgung auf. Da bin ich mir ganz sicher.«
»Du hast schon mancherlei Versprechen gegeben«, warf Gorm ihm vor, »aber noch keins gehalten.«
»Diesmal erwisch ich sie«, beteuerte Kol.
»Schaff sie her!«, röchelte Othar.
Gorm überlegte. »Sie wäre tatsächlich ein lohnenswerter Fang. Ja, ihr Tod könnte unserer Sache förderlich sein.« Er richtete den Blick auf Kol. »Verstehe mich richtig: Es geht um alles oder nichts. Scheue keine Mühe.«
»Gebt mir Wulfar mit. Ich sorge dafür, dass es so aussieht, als hätte ich ihn im Kampf getötet. Dann hinterlasse ich Spuren zur niedergebrannten Ork-Feste. Ihr nehmt einen anderen Weg dorthin. Wenn Dar mir folgt, kann Othar sie sich greifen.«
»Vielleicht schickt man lieber Söldner.«
»Das wird sicherlich geschehen, aber Dar wird dabei sein«, versicherte Kol. »Wir sind alte Erzfeinde, und Hass knüpft ein festeres Band als Liebe.«
»Wulfar«, ordnete Gorm an, »geh mit Kol.«
Ohne Widerspruch gesellte sich Wulfar zu dem Mann, dem er vorhin das Leben gerettet hatte, der ihn jedoch nun ermorden wollte. Gorm schaute ihnen nach, als sie zur Leichengrube umkehrten. Dann baute er das Zelt ab und befahl den Trägern, die Sänfte anzuheben. Ehe er die Führung übernahm, wandte er sich durchs offene Schiebefenster an den Insassen. »Dars Blut wäre außergewöhnliche Nahrung, Herr.«
»Und wenn Kol scheitert?«, fragte Othar.
»Dann muss ich persönlich einen Zauber anwenden.«
In den blauroten Zelten paarte sich die Freude, die Girta und ihr Sohn empfanden, mit einem allgemeinen Gefühl der Erleichterung. Durch die Vernichtung der Feste hatte der Feldzug jeden Reiz verloren. Hunger, schlechtes Wetter und Dars Drohung eines bevorstehenden Ork-Angriffs bewogen die Offiziere bereitwillig zur Aufgabe. Inmitten dieser guten Laune vergaßen außer Dar anscheinend alle den geschassten General. »Ist der Mann, der Kols Kopf bringen wollte«, meinte sie endlich, »nicht längst überfällig?«
»Wahrscheinlich zeigt er ihn erst einmal seinen Kameraden«, mutmaßte ein Offizier.
»Wer war der Posten überhaupt?«, fragte Dar.
»Einer meiner Männer«, antwortete Kregant III.
»Ein Gardist ?«, vergewisserte sich Dar.
»Freilich«, bestätigte der Knabe.
»Aber Kol hatte sie alle selbst um sich geschart. Jemand sollte mal nach dem Rechten sehen.«
»Ja, allerdings«, sagte Girta. Sie wandte sich an den Offizier. »Schick ein paar Soldaten zur Leichengrube.«
Etwas später erstatteten die Söldner Meldung. »Der Gardist ist tot, und seine Waffen fehlen.«
»Und der General?«, fragte Girta. »Wo steckt er?«
»Er ist geflohen. Wir sind seiner Spur eine Weile gefolgt. Anscheinend ist er zur abgebrannten Ork-Feste unterwegs.«
»Es schneit nicht mehr, Majestät«, sagte ein Offizier, »also können wir seine Fährte in der Frühe ganz leicht aufnehmen. Er kommt nicht
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