Herrscher
gefärbt sein werden.«
»Sprichst du von einem Gott?«
»Diese Bezeichnung mag herhalten. Fühlst du dich in deiner Machtfülle und deinem Zorn nicht wie ein Gott?«
»Doch, durchaus«, gab Othar zur Antwort.
»In mir findest du einen Akoluthen. Beschreite unbeirrt deinen grimmigen Weg, und du kannst keinen willigeren Gehilfen haben. Nimmst du meine Dienste an?«
»Da du gegen meine Kräfte gefeit bist, habe ich wohl keine Wahl. Hast du Erfahrung gesammelt?«
Gorm grinste. »Viele Jahrzehnte lang.«
»Jahrzehnte? Dafür siehst du zu jung aus.«
»Einst war ich ein unbedeutender Zauberer wie du. Aber ich konnte etwas Herausragendes: Mein Geist konnte auf den Dunklen Pfad vordringen und Erinnerungen der Toten aufsaugen. Erinnerungen bleiben zurück, auch nachdem die Seele ins Land des Westens eingegangen ist.«
»So sagt man«, sagte Othar.
»Und es stimmt. Schreckliche Todesarten hinterlassen besonders starke Erinnerungen. Auf dem Sonnenlosen Weg bin ich einem Wesen begegnet, das sich an derlei Erinnerungen mästet. Noch ist es auf die Unterwelt beschränkt. Aber das wird sich ändern, wenn seine Macht wächst.«
»Und Gemetzel ernähren es?«
»In der Tat. Der vergangene Sommerfeldzug hat seinen Aufstieg gefestigt. Deine neuen Kräfte beweisen es.«
»Wie erklärt es sich, dass du ihm dienst?«
»Ich habe die Zauberknochen erschaffen, die es dem Meister ermöglichten, Ereignisse nach seinem Wunsch zu beeinflussen.«
»Dieselben Knochen, die du mir verkauft hast?«, fragte Othar, der sich noch gut an ihre blutdürstigen Einflüsterungen entsann.
»Gewiss.«
Othar betrachtete den Mann, der da vor ihm stand, und beneidete ihn um seinen Körper. »Dir hat dein Meister die Jugend bewahrt, ich dagegen bin verbrannt worden.«
»Ich bin nur sein Diener. Du bist sein Gefäß.«
»Du meinst, ich bin eine neue Art von Zauberknochen«, brummte Othar.
»So wie du dich um Weisung an sie gewandt hast, werde ich mich an dich wenden«, versprach Gorm. »Nenne mir deine Feinde, und ich helfe dir, ihr Schicksal zu besiegeln. Lege jede Zögerlichkeit ab. Verwirkliche all deinen gewaltsamen Drang. Lass dich von meinem jugendlichen Gesicht nicht täuschen. Ich habe Zeitalter hindurch daran gearbeitet, meine Fertigkeiten zu verfeinern.«
9
DAR HATTE EINE ruhelose Nacht. Wenn sie nicht wach lag und Sorgen sie quälten, hatte sie verstörende Albträume. Die Einzelheiten vergaß sie rasch, doch das Gefühl der Bedrohung klang nach. Gemeinsam mit der Vision des brennenden Familiensitzes entstand daraus der Eindruck nahender Gefahr.
In ihrem Gemüt rangen zwei gegensätzliche Auslegungen miteinander: Einerseits konnte es sein, dass sie aus Zufall Königin geworden war. Ihre Muthuri glaubte das. Falls Zor-yat recht hatte, sollte sie die Krone lieber abgeben. Aber damit sah sie sich vor weiteren Unklarheiten: Sie hatte keine Ahnung, wer ihre Nachfolgerin werden könnte. Hinzu kam die Frage, was anschließend aus ihr werden sollte. Bleibe ich hier, werde ich wie ein Gespenst behandelt. Und die Verhältnisse in Taiben verlockten sie nicht im Geringsten.
Andererseits konnte es zutreffen, dass es ihre Bestimmung war, Königin zu sein. Möglicherweise hatte Muth’la deshalb ihr Leben erhalten. Doch fiel es Dar schwer zu glauben, dass es die Bestimmung eines gebrandmarkten Bauernmädchens sein könnte, zur Königin der Orks aufzusteigen. Zwar sprachen
die Visionen dafür, dass sie die Auserkorene war, doch sie boten ihr wenig Aufschluss. Wird der Familiensitz brennen, wenn ich Königin bleibe? Oder hat mein Rücktritt das Feuer zur Folge?
Fast den ganzen Tag lang setzte sie sich mit diesen Fragen auseinander. Doch trotz allen Grübelns fand sie keine Lösung. Am Ende sah sie ein, dass alles Grübeln keinen Sinn hatte. So ließ sich der richtige Weg nicht finden. Velasa-pah hat mir empfohlen, meinem Brustkorb zu folgen. Und er hat klargestellt, dass es nicht immer leicht sein wird.
Sobald Dar auf Verstand und Furcht nicht mehr achtete, erkannte sie zweifelsfrei, dass sie Königin bleiben musste. Sie konnte die Orks unmöglich im Stich lassen. Sie liebte sie zu sehr, denn das Fathma hatte ihre Geschicke verknüpft. Die Orks waren ihre Familie und ihre Kinder. Sie beschloss, so gut zu herrschen, wie sie es konnte, und zu hoffen, dass ihre Bemühungen genügten.
Dank dieser Entscheidung überkam sie ein gewisses Maß an Ruhe. Doch da sie wusste, dass sie unverändert der Anleitung bedurfte, um Erfolg zu haben, überlegte
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