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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Erinnerungen ausgelöst. Er sieht meine Seele, nicht mein hässliches Gesicht. Dar setzte die Krone auf und machte sich auf den Weg zur Großen Kammer. Dem Sohn, der sich dort in Dienstbereitschaft hielt, gab sie den Auftrag, die beiden Bewerber herzubringen.
    Die Große Kammer glich einem Hanmuthi, nur dass sich in der Mitte statt des Herds ein hoher, aus einem einzigen Marmorblock gehauener Thronsitz erhob. Statt der Durchgänge zu Nebenzimmern waren Bogenfenster vorhanden. Der Thron, der weder Armlehnen noch eine Rücklehne hatte, ähnelte dem Sitz, den Matriarchinnen benutzten, war aber erheblich prunkvoller. Seiner Höhe wegen ließ er sich nur über Stufen erreichen.
    Die Fenster boten einen Blick auf die umliegenden Berge, die weiß waren von Schnee. Infolge der Fußbodenheizung war es in der Großen Kammer trotz des eisigen Wetters behaglich warm. Dar sah, dass der Hocker fehlte, auf dem Muth-yat neben dem Thron gesessen hatte. Sie erklomm den Thronsitz und wartete auf Kovok-mahs und Togu-mahs Ankunft.
    Sie betraten die Kammer kurz nach ihr und verharrten vor dem Thron. Von ihrem erhöhten Sitz schaute Dar auf die Söhne hinab. Kovok-mahs Anblick wühlte sie stärker auf,
als sie befürchtet hatte. Als sie das letzte Mal in seine grüngoldenen Augen geschaut hatte, war sie sicher gewesen, im Sterben zu liegen.
    Sobald sie sich daran erinnerte, sah sie, dass er sie genauso anschaute wie damals – mit einer Mischung aus Trauer und Liebe.
    Sie brauchte einige Sekunden, bis sie ihre Stimme fand. »Möge Muth’la euch segnen, Togu-mah und Kovok-mah.«
    Beide Söhne verbeugten sich tief. »Shashav, Muth Mauk.« Da fügte Kovok-mah einen Satz in der Menschensprache hinzu. »Bitte erwähle mich nicht.«
    »Kovok-mah, es ist erfreulich«, antwortete Dar auf Orkisch, »dass du dich noch in der Washavoki-Sprache übst.« Dann benutzte sie wieder die menschliche Sprache. »Wir unterhalten uns später.« Danach wechselte sie erneut ins Orkische. »Ihr könnt mir beide wertvolle Dienste leisten.«
    Dar betrachtete Togu-mah. Zwar war er kleiner, aber von stämmigerem Wuchs als Kovok-mah. Er hatte ein angenehmes Gesicht, in dem häufiges Lächeln Falten hinterlassen hatte, und kluge Augen. Als Dar Kath-mah besucht hatte, war sie ihm schon begegnet, doch kannte sie ihn vorwiegend aus Nir-yats Beschreibung. Dreimal hatte er für den Washavoki-König gekämpft, nicht jedoch im vergangenen Sommer. So wie Kovok-mah hütete er Ziegen. Zudem wusste er, wie man die Verletzungen und Krankheiten der Tiere behandelte.
    »Togu-mah, meine Schwester, deren Urteil ich achte, hat sich höchst vorteilhaft über deine Weisheit, Kraft und Ausdauer geäußert.«
    Als Togu-mah sich zum Dank für das Lob verneigte, bemerkte Dar seine verblüffte Miene. Allerdings hegte sie die Überzeugung, nichts Ungewöhnliches gesagt zu haben.
Noch wunderte sie sich über die Ursache. Da fiel ihr ein schwacher Geruch auf, aber obwohl er kaum wahrnehmbar blieb, erkannte sie ihn augenblicklich. Atur. Wenn selbst ich ihn riechen kann, muss er wahrlich schwer die Luft durchziehen. Da ist es nicht erstaunlich, dass er mich so sonderbar ansieht.
    Dar verstand nicht zu unterscheiden, ob der Duft ihre oder Kovok-mahs Gefühle preisgab, aber so oder so verstärkte sein Vorhandensein ihre Verlegenheit. Sie starrte Kovok-mah an, bis sie sich darauf besann, dass sie auch zu ihm etwas sagen musste.
    »Kovok-mah, du hast großes Geschick bei Verhandlungen mit den Washavoki bewiesen. Ich brauche einen Botschafter, der es versteht, mit der Großen Mutter der Washavoki zu sprechen.«
    Kovok-mah vollführte eine Verbeugung.
    »Togu-mah, Zor-yat wird dich in ihrem Hanmuthi willkommen heißen. Geh und erhole dich von der Reise. Du hast mir Freude bereitet.«
    Als Togu-mah sich verbeugte, wandte Dar sich an Kovok-mah. »Kovok-mah, wie haben noch zu reden.« Sie schwiegen, bis Togu-mah die Große Kammer verlassen hatte. »Kovok, ich habe dich vermisst.«
    »Muth Mauk, bitte …«
    »Nenne mich Dargu, wenn wir allein sind.«
    »Du bist nicht Dargu. Du bist jetzt Muth Mauk, und wir dürfen nie allein sein. Muthuri hat es verboten.«
    »Wenn du erst mein Mintari bist, ist es einerlei.«
    »Wenn du in meinen Nacken beißt, zählt dein Wille mehr als der ihre, außer in einer Hinsicht: Um uns Liebe zu schenken, müssen wir ihren Segen haben. Ohne ihren Segen wirst du thwada.«

    »Ich bin schon thwada gewesen.«
    »Das war etwas anderes. Du warst thwada aus Gründen der Weihe. Als du

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