Herrscher
Nacken berührten. Seine Haut fühlte sich warm und weich an. Seine Ausdünstung stieg ihr in die Nase. »Ich rieche Atur«, raunte sie.
»Riechst du auch meine Furcht?«
Dar hob den Kopf und erschnupperte einen säuerlichen Geruch. Vielleicht hatte das Fathma ihre Washavoki-Nase geschärft, oder die Erinnerungen früherer Ork-Königinnen halfen ihr beim Erkennen des Geruchs.
Auf jeden Fall gewahrte sie, dass Kovok-mah sich fürchtete. Dennoch drückte sie die Lippen erneut auf seinen Nacken. Sie küsste ihn auf orkische Weise, indem sie mit der Zunge die Haut leckte, den Geschmack genoss. »Nicht küssen, beißen«, sagte Kovok-mah heiser.
In plötzlichem Zorn biss Dar zu, bis sie Blut schmeckte. Dann erst ging sie, bestürzt und entsetzt über ihr Verhalten, auf Abstand.
Kovok-mah verharrte reglos, während Blut aus der Bisswunde sickerte. »Jetzt trage ich dein Mal«, sagte er voller Schicksalsergebenheit. »Mein Leben gehört dir.«
Nach einem peinlichen Schweigen stieg Dar wieder auf den Thron. Sie befahl Kovok-mah aufzustehen, und er gehorchte. Ein beklommenes Schweigen folgte. »Da du jetzt mein Mintari bist«, wandte sich Dar schließlich an ihn, »hast du fortan deine Unterkunft im Hanmuthi deiner Königin. Schaffe deine Sachen her.«
»Hai. Es wird mein Heim sein, solange du Königin bist.«
»Du weißt also darüber Bescheid.«
»Jeder weiß es.«
Dar blickte zum Eingang der Großen Kammer und sah Nir-yat kommen. Ihre Schwester blieb auf der Schwelle stehen und verneigte sich. »Muth Mauk, das Fest …«
Dar erkannte, dass die Sonne schon sank und es in der Großen Kammer düster wurde. »Sind meine Gäste da?«
»Hai.«
Dar schwang sich vom Thron und verließ den Raum.
Verwirrt blieb Kovok-mah an Ort und Stelle stehen. Er heftete den Blick auf Nir-yat. »Was soll ich tun, Base?«
»Geh zu Muthuri. Sie nimmt dich auf.«
»Aber ich muss in Muth Mauks Hanmuthi wohnen.«
Nir-yat schnitt eine Miene der Betroffenheit. »Sie hat in deinen Nacken gebissen?«
18
ALS MURDANT hatte Kol gelernt, wie er mit Leuten umgehen musste, die sich für etwas Besseres hielten. Deshalb begegnete er den Adligen bei Hofe so wie früher den höheren Offizieren des Regiments.
Kol nährte ihre anmaßenden Vorurteile, stellte aber gleichzeitig eine höfliche Tüchtigkeit zur Schau. Der Haushofmeister und General Voltar verbreiteten, er sei ein Nützling ohne Ehrgeiz, und Kol achtete darauf, dass die Menschen sich in seiner Gegenwart wohlfühlten. Er mied den engeren Umkreis der Königin, stellte aber sicher, dass sie ihn sah. Währenddessen beobachtete er sie und den Prinzen.
Kol ließ sich Zeit, bevor er den ersten Schritt machte. Wenn der Hofstaat sich zu einem Festabend versammelte, schwand jedes Mal in gewissem Umfang die Förmlichkeit, und das war der Zeitpunkt, an dem Kol zu handeln gedachte.
Er wartete, bis Höflinge die Königin umschwärmten, dann näherte er sich dem Prinzen. Wie gewohnt zappelte der von den Erwachsenen gänzlich missachtete Junge stumm vor sich hin. Kol ging in die Hocke, um sich mit ihm auf Augenhöhe zu unterhalten.
»Das ist aber ein großes Vieh, was du da hast, mein Prinz«, sagte er, nickte in Richtung eines Ork-Leibwächters. »Ist es ein nettes Schoßtierchen?«
»Es ist kein Schoßtierchen.«
»Ach, eigentlich sind sie wie Hunde, bloß nicht so schlau. Gebt mal acht.« Kol bleckte die Zähne zu einem orkischen Lächeln und verneigte sich vor dem Leibwächter. »Pahat tha pah pi urkwashavoki?« Sprichst du die Washavoki-Sprache?
»Thwa«, antwortete der Ork.
»Ma lo-tamav tha fleem washavoki«, sagte Kol. Ich möchte dich Washavoki-Höflichkeit lehren. Er verneigte sich ein zweites Mal, erhob sich auf die Zehenspitzen und flüsterte dem Leibwächter etwas ins Ohr.
Der Leibwächter verbeugte sich vor dem Prinzen. »Äsch benn Kartuffelnas.«
»Tha pahat grut«, sagte Kol. Du sprichst gut. Er wandte sich an den Prinzen, in dessen Miene sich ein Schmunzeln abzeichnete. »Verneig dich und sage: Shashav, Kartoffelnase. «
Der junge Kregant III. tat wie geheißen und kicherte.
Das Gelächter des Prinzen erregte Königin Girtas Aufmerksamkeit. Sie achtete nicht mehr auf den schmierigen Grafen, der vor ihr stand, sondern spähte hinüber zu ihrem Kind. Anscheinend hatten der Prinz und der Mann, der bei ihm kniete, viel Spaß miteinander. Sie hatte den Mann schon bei Hofe gesehen, und obwohl sie sich nicht an seinen Namen erinnerte, waren ihr seine blauen Augen im
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