Herrscher
er in Erfahrung brachte, welche Fortschritte die Umsetzung des Friedensvertrags machte. Sie hatte den Eindruck, die dortige Lage zu lange vernachlässigt zu haben. Wahrscheinlich hält Königin Girta mich für tot. Und vermutlich denken die Söhne, die sie beschützen, ebenso.
Es befriedigte Dar, dass sie durch Kovok-mahs Reise
zwei Schwierigkeiten mit einem Schlag beheben konnte. Sobald ihre Absichten feststanden, nahm sie sich vor, den Plan gleich am Morgen zu verwirklichen.
Als Tolum Kol eintraf, um dem Prinzen ein zweites Mal Unterricht zu geben, empfing ihn Lokung.
Der Haushofmeister teilte ihm mit, dass die Königin ihn zu sprechen wünschte. »Sei auf der Hut«, fügte Lokung mit gedämpfter Stimme hinzu. »Sie zürnt wegen des Schwertes. «
Auf diese Weise vorgewarnt betrat Kol die Gemächer der Königin. Girta stand am Fenster, hielt Kols Geschenke für ihren Sohn in den Händen und schaute hinaus. Als sie Kols Schritte hörte, fuhr sie herum. »Tolum, was soll das bedeuten? «, fragte sie und streckte ihm Schwert und Dolch entgegen.
»In Wahrheit ist es ein Zauber, Majestät. Ein Zauber gegen die Furcht. Zaubermittel gegen die Gefahr.«
»Für mich sehen diese Gegenstände eher wie Waffen aus.«
»Und doch dienen sie nur als Zaubermittel. Euer Sohn ist in Gefahr; sie erhöhen seine Sicherheit.«
Girta zog das Kinderschwert aus der Scheide. »Wie könnte so ein Spielzeug seine Sicherheit erhöhen? Du hast beteuert, dass du ihm keinen kriegerischen Geist anerziehen willst.«
»Das ist auch keineswegs mein Bestreben. Erlaubt mir eine Frage, Majestät: Angenommen, ein Meuchelmörder springt Euch an. Wie alarmiert Ihr Eure Leibwache?«
»Ich rufe ›Tav‹. Dieses Wort hat Gargo-Sowieso mir genannt. «
»Und ›Tav‹ heißt auf Orkisch ›Töte‹«, sagte Kol. »Und wen, Eure Majestät, würden die Orks dann töten?«
»Also … natürlich den Meuchelmörder.«
»Aber nicht allein ihn. Sie würden jeden niedermetzeln, der nach Furcht riecht. Ich habe es viele Male mit angesehen. Männer. Frauen. Kinder. Orks machen keinen Unterschied. «
»Du behauptest, sie würden auch meinen Sohn töten?«
»Indem sie dem Befehl gehorchen, wie sie ihn verstehen. Und aus diesem Grund darf dein Sohn für sie nicht wie ein Feind riechen. Wenn das Schwert ihm in Gegenwart der Orks Mut einflößt, braucht er es nie zu ziehen, um sein Leben zu schützen.«
Girta überdachte Kols Ausführungen. Dann reichte sie ihm das Schwert und den Dolch. »Ich habe dich falsch beurteilt, Tolum.«
Kol verbeugte sich. »Das ist verständlich, Majestät. Wenige verstehen das wirre orkische Denken, darum musstet Ihr den Eindruck gewinnen, dass meine Handlungen dem gesunden Menschenverstand widersprechen. Man empfindet es unwillkürlich als unnatürlich, dass ein Schwert einem Knaben Sicherheit verleihen soll, obwohl Waffen doch so häufig Unheil anrichten.«
»Ja, fürwahr unnatürlich«, sagte Königin Girta. Sie lenkte den Blick hinüber zur geschlossenen Tür und dachte an die Ork-Wächter, die draußen standen. Bei dieser Vorstellung wollten ihr schier die Haare zu Berge stehen.
Am selben Morgen, als Dar die Söhne Nagtha-yat und Lama-tok zu ihren Mintari machte und Kovok-mah auf die Reise nach Taiben entsandte, traf Muth-mah im Familiensitz der Yat-Sippe ein. Dar erfuhr es von Togu-mah. Sie schaute Nir-yat an. »Wie soll ich mich nun verhalten?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Nir-yat.
»Muth Mauk«, ergriff Nagtha-yat das Wort und verbeugte sich. »Ich kann diese Frage beantworten.«
»Sprich.«
»Muth-mah ist gekommen, um am Rat der Matriarchinnen teilzunehmen, und Matriarchinnen bleiben gern unter sich. Sie wird bei Muth-yat wohnen, sollte dir aber einen Höflichkeitsbesuch abstatten.«
»Auf welche Weise?«, fragte Dar.
»Lass ihr etwas Zeit, um sich zu erholen, dann empfange sie in der Großen Kammer. Wenn du bereit bist, schicke Togu-mah zu ihr, und sie wird sich einfinden.« Nagtha-yat wandte sich an Togu-mah. »Matriarchinnen werden nicht einbestellt. Du musst sagen: ›Muth Mauk denkt an dich. Sie sitzt in der großen Kammer‹.«
Dar traf ihre Vorbereitungen mit ganz besonderer Sorgfalt. Sie brauchte Verbündete gegen Muth-yats Umtriebe, daher musste sie bei Muth-mah auf Anhieb einen königlichen Eindruck hinterlassen. Unruhe plagte sie, während sie die Große Kammer aufsuchte und auf den Thron stieg. Sie erwartete, nachdem sie Togu-mah mit der Benachrichtigung zu ihr geschickt hatte, dass
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