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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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die Matriarchin kurz darauf erschien, aber das war nicht der Fall. Dar musste lange warten, bis Muth-mah zu ihr kam.
    Die Matriarchin war einen ganzen Köpf größer als Dar, in den mittleren Jahren und wirkte kraftvoll und stark. Muth-mah hatte goldbraune Augen, keine gelben. Ihr Ausdruck zeugte vom Selbstbewusstsein einer Mutter, die es gewohnt war, dass man ihr gehorchte.
    »Möge Muth’la dich segnen, Muth-mah.«
    Muth-mah nickte, anstatt sich zu verneigen. »Shashav, Muth Mauk.«
    »Du triffst als erste Matriarchin ein.«

    »Der Weg ist kurz, und ich war neugierig.«
    »Auf mich?«
    »Natürlich. Alle haben von der wiedergeborenen Mutter gehört, die jetzt Königin ist.« Unverhohlen abschätzig musterte die Matriarchin Dar. »Du bist noch hässlicher, als ich erwartet habe.«
    »Ich habe keinen Urkzimmuthi-Körper, aber einen Urkzimmuthi-Geist. So war es schon, bevor ich das Fathma empfing.«
    »Hai, diese Geschichte kenne ich. Es heißt, du warst die einzige Mutter im Umkreis der sterbenden Königin.«
    »Sie starb, weil sie ihr Leben opferte«, sagte Dar. »Sie hat es getan, nachdem sie entschieden hatte, dass ich würdig bin, das Fathma zu erhalten.«
    »Sie brauchte jemanden, der den Urkzimmuthi das Fathma zurückbringt. Diese Aufgabe hättest du erfüllen können, ohne Königin zu werden. Ob du genug taugst, um es zu bleiben, ist eine andere Frage.«
    »Deine Worte erwecken in mir das Gefühl, dass du daran zweifelst.«
    Muth-mah vollführte eine Gebärde, die dem menschlichen Schulterzucken entsprach. »Ich habe nur eine von sieben Stimmen.«
    »Es gibt neun Sippen-Matriarchinnen«, sagte Dar.
    »Die Pah-Sippe ist verschollen, und Muth-goth besucht keine Ratsversammlungen mehr. Sie ist sehr alt, und der Weg ist zu lang und mühsam für sie, selbst im Sommer.«
    »Ich werde Muth-goth vermissen«, antwortete Dar. »Als ich aus dem Westen kam, bin ich ihr begegnet.« Sie beobachtete Muth-mahs Miene, aber sah nichts Aufschlussreiches.
    »Ich habe Togu-mah gesehen, als ich eintraf, Kovok-mah hingegen nicht«, äußerte Muth-mah. »Wo ist er?«

    »Ich habe ihn nach Taiben gesandt. Warum interessierst du dich für meine Mintari?«
    »Ich interessiere mich nicht für sie. Mir geht es nur um Kovok-mah. Seine Muthuri macht sich Sorgen.«
    »Warum?«
    »Du und ihr Sohn, ihr wart Velazul, bis sie es verboten hat.«
    »Folglich sind wir keine Velazul mehr.«
    »Du leidest an Unzulänglichkeiten, heißt es, obwohl du eine Wiedergeborene bist. Du sollst im Dunkeln schlecht sehen und kaum Geruchssinn haben. Du kannst nicht erkennen, ob jemand zornig, furchtsam oder verliebt ist.«
    »Es gibt andere Möglichkeiten als den Geruchssinn, um das zu erkennen.«
    »Hai. So wie Blinde mit Händen und Ohren sehen. Bist du dir dessen bewusst, dass du nach Atur riechst?«
    »Das ist eine unhöfliche Frage.«
    »Diese Angelegenheit ist zu wichtig, um Rücksicht auf Höflichkeit zu nehmen.«
    »Ich habe nur Einfluss auf meine Taten, nicht auf meinen Geruch. Ich kenne unsere Gesetze. Wie könnte es anders sein?«
    »Weisheit und kluge Taten müssen sich ergänzen.« Muth-mah verneigte sich jäh. »Es ist üblich, dass die Matriarchinnen und die neue Königin bis zur Ratsversammlung getrennt bleiben. Anlässlich der Versammlung werden wir erneut miteinander sprechen.«
    Dar weigerte sich, »Du hast mir Freude bereitet« zu sagen. Stattdessen nickte sie Muth-mah zu. »Dann sehen wir uns dort wieder.«
    Nachdem die Matriarchin gegangen war, blieb Dar noch lange auf dem Thron sitzen. Muth-mahs offenkundige
Feindseligkeit erschütterte sie, denn die bevorstehende Ratsversammlung hatte für sie entscheidende Bedeutung. Daran hatte die Wissenshüterin keinen Zweifel gelassen. Die Versammlung galt dem Zweck, das Herrschaftsrecht einer neuen Königin zu bestätigen. Gewöhnlich blieb dieser Vorgang eine bloße Formsache, aber nicht immer verhielt es sich so. In drei Fällen war die neue Königin aufgefordert worden, sich Muth’las Trunk zu unterwerfen, um ihre Eignung unter Beweis zu stellen. Keine hatte das Gottesurteil überlebt.
    Man konnte keineswegs ausschließen, dass das Fathma dann und wann einer unwürdigen Empfängerin zufiel, und Dar verstand, dass so manche Mutter ihre Krönung als Irrtum empfand. Falls im Rat der Matriarchinnen eine Mehrheit so dachte, war ihr das Verderben gewiss.
    Sie rechnete mögliche Abstimmungsergebnisse durch. Vier Gegenstimmen wären mein Tod. Bis jetzt musste sie schon zwei Gegenstimmen

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